Dießen:Nachtarock um den Kiosk

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Dießener Architekten kritisieren genehmigten Entwurf. Professor Stephan Engelsmann reist extra aus Stuttgart an, um sein Konzept nochmals im Gemeinderat vorzustellen - dieser bestätigt am Ende seine Wahl

Von Armin Greune, Dießen

Im Oktober war man sich noch über den Kiosk in den Seeanlagen einig. Alle 24 Gemeinderäte stimmten für den Entwurf der Architektin Valerie Spalding aus dem Stuttgarter Büro Engelsmann und Peters: Als zeitgenössische Interpretation der nahen Fischerhütten wurde er mit Beifall bedacht. Doch in Dießen wird gerne an einer einmal getroffenen, ästhetischen Entscheidung herumgemäkelt - wie etwa beim Kunstwerk für den Untermüllerplatz, als im Februar sechs Gemeinderäte gegen den von der Jury auserkorenen "Mann mit dem goldenen Fisch" von Matthias Rodach wetterten und votierten.

Und so ist es auch mit dem Kiosk: Kaum war die Entscheidung getroffen, tadelten die Dießener Architekten Matthias Krapf und Jürgen Bahls in der örtlichen Presse den Entwurf: Sie stellten Optik, Funktionalität, Vergabepraxis und die Qualifikation der Stuttgarter Kollegen in Frage. Was zur Folge hatte, dass in der Sitzung am Montagabend Stephan Engelsmann zur Kollegenschelte persönlich Stellung bezog. An beruflicher Qualifikation konnte er nicht nur die Architektur-Professur an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart ins Feld führen, Engelsmanns Berufsweg begann mit einer Maurerlehrer: "Sie können also durchaus davon ausgehen, dass ich eine Dachentwässerung planen kann", bemerkte der Hochschullehrer spitz. Sein 15 Mitarbeiter umfassendes Büro plant weltweit Projekte, für den österreichischen Expo-Pavillon wurde es gerade vom italienischen Umweltministerium ausgezeichnet.

Für die geplante Begrünung der drei unterschiedlich geneigten Satteldächer sprächen nicht nur ästhetische, sondern auch ökologische Gründe: Es leiste Ersatz für die vom Kioskgebäude versiegelte Fläche und biete bei Regen Retentionsflächen zur Entlastung der Kanalisation. Ein etwa von Johannes Grosser (CSU) gewünschtes Ziegeldach sei hingegen bei der flachen Dachneigung eine disfunktionale Attrappe und somit eine Bausünde, wie er schon seinen Studenten vermittele. Allenfalls käme noch ein Blechdach in Frage, die Mehrkosten für ein begrüntes Dach das Gründach schätzte Spalding abermals auf 2000 Euro. Der weitgehende Verzicht auf eine Überdachung vor dem Gebäude resultiere aus den sechs Monate währenden Vorgesprächen im Rathaus: "Es sollte ein Kiosk werden, kein Café", sagte Engelsmann - allerdings könnten südlich davon Tische unter Schirmen aufgestellt werden, wenn die Gemeinde das wünsche.

Zur Vergabepraxis sagte Bürgermeister Herbert Kirsch, dass trotz des Gestaltungswettbewerbs für die Seeanlagen wegen der Bausumme eine neue Ausschreibung nach VOF-Verfahren nötig war: Das Stuttgarter Büro habe den Auftrag erhalten und werde auch an der bereits aufgenommenen Planung für Grünflächen und Brücke in den Seeanlagen beteiligt. Engelsmann ergänzte, dass ein Architektenwettbewerb für den Kiosk alleine nicht in Relation zum Projekt gestanden wäre - man rechnet mit einer Gesamtsumme von 229 000 Euro.

Am Ende reichte eine Abstimmung, um die Entscheidung für Spaldings Entwurf abermals zu bestätigen: Gegen das begrünte Dach stimmten lediglich fünf von 24 Gemeinderäten. Am Dienstag kündigte Krapf an, sich mit dieser Entscheidung nicht abfinden zu wollen: Er will einen Architektenwettbewerb durchsetzen. "Ich werde ein Bürgerbegehren anstrengen", sagte er auf Nachfrage, dies sei auch die demokratischste Lösung. Kirsch fürchtet nun, dass sich dadurch der Neubau um mindestens ein Jahr verzögert. Eigentlich hatte er gehofft, dass der Kiosk zum Töpfermarkt 2016 fertig gestellt ist.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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