Dießen:Holzwurm nagt sich durchs Marienmünster

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Im weichen Linden- und Weidenholz des Dießener Münsters breitet sich der Holzwurm aus. Ein fünfköpfiges Restauratorenteam soll dem Schädling nun den Garaus machen.

Armin Greune

Nach zahlreichen Reparaturen und Sanierungen in den vergangenen Jahren beginnt im Dießener Marienmünster der Kampf gegen den Holzwurm: Im Auftrag des Staatlichen Bauamts Weilheim will nun ein fünfköpfiges Restauratorenteam dem Schädling den Garaus machen. Die Larven des Gemeinen Nagekäfers hausen in fast jedem Holzteil der Kirchenausstattung vom Boden über das Gestühl bis zu den Altären und Skulpturen. Deshalb wird die Schädlingsbekämpfung bis Ende Oktober dauern. Das Münster bleibt solange geschlossen.

Die Holzfiguren der Kirchenväter im Dießener Marienmünster: Auch hier hat der Holzwurm schwere Schäden hinterlassen. (Foto: STA)

Mit einem Kran wurden am Mittwoch die überlebensgroßen Statuen der vier Kirchenväter bewegt. Sie bestehen aus Weichhölzern wie Linde oder Weide und sind daher für den Nagekäfer buchstäblich ein gefundenes Fressen. Seine Spuren reichen von einzelnen winzigen Löchern über poröse Strukturen bis zu Teilen, die zu Holzstaub zerfallen sind. Ein Eichenschrank hingegen hat dem Angriff der Anobien weitgehend widerstanden, nur die aus Fichte gefertigte Rückwand ist gefährdet. In der hinter einer Glaswand geschützten Krippe liegen Hunderte Käferleichen.

Während früher Gifte wie DDT eingesetzt wurden, wenden die Fachleute heute schonendere Verfahren an: In gasdichten Zellen wird nun über acht Wochen der Luft Sauerstoff entzogen, bis eine Stickstoff-Konzentration von mehr als 98 Prozent erreicht ist und die Käferlarven ersticken. So bleiben keine giftigen oder umweltbelastenden Substanzen in Kunstgegenständen und Bauteilen zurück.

Bauteile wie Stiegen, Fußböden oder Kirchenbänke können nicht so behandelt werden, hier rückt man den Anobien mit einer wässrigen Borsalzlösung zu Leibe. Sie tötet die Insekten ab, ist aber im Hautkontakt für Menschen ungefährlich. Nach Abschluss der Vorarbeiten und dem Aufstellen der Gerüste soll Anfang August mit der eigentlichen Begasung begonnen werden.

"Unsere Maßnahmen haben einen sehr nachhaltigen Effekt, aber ich kann nicht versprechen, dass wir auch den letzten Käfer erwischen", sagte Restaurator Rainer Sgoff, dessen Firma die Schädlingsbekämpfung ausführt. Rund 340.000 Euro wird die Aktion kosten, der Freistaat trägt mit Mitteln des Kultusministeriums und Fördertöpfen des Denkmalschutzes 45 Prozent, der Rest entfällt auf den Hausherren, die Kirche. Nach Abzug des von der Diözese beigesteuerten Anteils verbleiben 70.000 Euro, die von der örtlichen Kirchenstiftung aufzubringen sind.

Hinzu kommen Einnahmeverluste, weil nun keine Führungen stattfinden und der Opferstock leer bleibt. Mit dem Münster, den Kirchen St. Georg, St. Stefan und St. Johann, Kreuzkapelle und Traidtkasten habe die 4500 Seelen umfassende Pfarrei außerordentlich viele kulturhistorische Aufgaben zu bewältigen, sagt Pfarrer Manfred Mair: "Das ist aufs Ganze gesehen einfach zu viel."

Das Dießener Marienmünster gilt nach der Wieskirche als kunsthistorisch bedeutendstes Sakralbauwerk im Fünfseenland und dem Pfaffenwinkel. Für die Architektur zeichnete Johann Michael Fischer verantwortlich, der Münchener Hofbaumeister François de Cuvilliés war wohl am Entwurf für den Hochaltar beteiligt. Zur prachtvollen Ausstattung haben unter vielen anderen die Venezianer Battista Tiepolo und Giovanni Battista Pittonis je ein Altarblatt beigetragen. Doch vor allem ist der "Dießener Himmel" berühmt: Johann Georg Bergmüller schuf die Kuppel über dem Altar, die 28 Heilige und Selige zeigt.

In den vergangenen Jahren haben Freistaat und Kirche erhebliche Summen in die Instandhaltung des Kunstschatzes investiert. Wegen akuter Einsturzgefahr wurde bereits von 1979 bis 1990 umfassend saniert. Nach einem katastrophalen Hagelschlag im Juni 2002 mussten mehr als 500 Butzenscheiben repariert und 1300 Quadratmeter der nördlichen Dachfläche neu eingedeckt werden. Der Anstrich von Nord- und Westfassade wurde überholt, das Hauptportal grundlegend restauriert. Die umfangreichen Arbeiten seit 2003 werden insgesamt fast 1,2 Millionen Euro verschlingen, von denen der Staat rund 800.000 Euro übernimmt.

© SZ vom 08.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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