Dießen:"Formlos und doch Form"

Dießen , Fritz Winter Atelier, Schumacher

Foto: Georgine Treybal

Das Fritz-Winter-Atelier in Dießen zeigt Spätwerke von Emil Schumacher

Von Katja Sebald, Dießen

Informel, so lautete die Antwort des alten Europas auf den amerikanischen Abstrakten Expressionismus. Namensgeber für die "art informel" war der französische Kunstkritiker Michel Tapié, der den Begriff erstmals im November 1951 im Zusammenhang mit einer Ausstellung im Pariser Studio Facchetti ins Spiel brachte. Etwa ab 1952 etablierte sich diese neue ungegenständliche, sozusagen "formlose" Malerei, die sich nicht nur von vorangegangenen kubistischen und surrealistischen Bewegungen abzugrenzen wusste, sondern auch auf konstruktive und geometrische Elemente verzichtete, in der jungen Bundesrepublik. Das Fritz-Winter-Atelier präsentiert derzeit mit einer Auswahl von Gemälden und Papierarbeiten aus dem Spätwerk von Emil Schumacher einen der namhaftesten Vertreter des deutschen Informel.

Der 1912 geborene Schumacher absolvierte eine Ausbildung zum Werbegrafiker an der Werkkunstschule in Dortmund. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er wie viele seiner Generation auf einen künstlerischen Neuanfang. Er war Mitbegründer der Gruppe "junger westen", die sich 1948 in Recklinghausen mit dem Ziel formierte, den in der Zeit des Nationalsozialismus verlorenen Anschluss an die Kunst der Moderne wiederherzustellen.

Anfang der Fünfzigerjahre fand er zur Abstraktion. Als Vertreter der deutschen Kunst nach 1945 war er im Jahr 1959 Teilnehmer der Documenta II in Kassel. Er war nicht nur in Deutschland, sondern auch international erfolgreich. Seine Heimatstadt Hagen errichtete ihm 2009 ein Museum.

Großformatige Bilder auf Holz oder Leinwand bilden den Kern im vielfältigen Gesamtwerk von Emil Schumacher. Darüber hinaus entstanden eine Vielzahl von Gouachen und andere, zum Teil ungewöhnlich große Papierarbeiten in Mischtechniken. Er hinterließ außerdem ein umfangreiches grafisches Werk sowie Keramiken und Malereien auf Porzellan und Schiefertafeln, Blei oder Aluminium.

Das Experimentieren mit unterschiedlichsten Materialien zeichnet den Künstler ebenso aus wie ein zum Teil extrem pastoser Farbauftrag. Durch das Aufbringen von Asche, Sand oder sogar Asphalt auf den Bildgrund erhalten seine Gemälde zuweilen einen geradezu reliefartigen Charakter.

Die Dießener Ausstellung ist insofern keine richtiggehende Werkschau, als sie keine Entwicklungen aufzeigen kann, sondern sich auf die späteren, reifen Arbeiten vor allem aus den letzten beiden Lebensjahrzehnten des Künstlers aus Westfalen beschränkt. Dennoch ist diese Zusammenstellung im Fritz-Winter-Atelier durchaus sehenswert. Vor allem die Gemälde sind farbreduziert, in dunklen, erdigen beinahe düsteren Tönen. "Formlos und doch Form", sagte Schumacher über sein eigenes Werk: Es erscheint hier eher abstrahiert denn abstrakt. Auf der Leinwand wie auf dem Papier lässt sich Figürliches entdecken, Bildtitel wie "Eulenspiegel" regen zur Assoziation an. In dieser 1993 entstandenen, fast zwei Meter hohen Papierarbeit wirkt der braune Bildgrund, als wäre er mit schimmerndem Gold durchsetzt. Eine Leiter, ein Rad oder auch ein Vogel sind wiederkehrende Motive, meist sind sie mit schwarzer Heftigkeit aufgebracht. Vitalität und großer Gestaltungswille spricht bis zuletzt auch aus den kleinen Blättern, Gouachen wie Radierungen.

Die Ausstellung von Emil Schumacher im Fritz-Winter-Atelier in Dießen, Forstanger 15a, ist noch bis zum 14. Juni 2015 jeweils donnerstags bis samstags in der Zeit von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Telefon 08807/4559 zu sehen.

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