Dießen:Fesselnde Lehrstunde

Dießen: Augustinum Ammerseerenade  Liederabend Carl Orff Werke

Aus Sprache wird Musik: Christian von Gehren und Ursula Eittinger beim Liederabend zum Orff-Tag der Ammerseerenade.

(Foto: Nila Thiel)

Der Liederabend des Orff-Preisträgers von Gehren und des Sängerehepaars Eittinger und Newerla

Von Reinhard Palmer, Dießen

Komponist Wilfried Hiller ist Vorstandsvorsitzender der Carl-Orff-Stiftung und zugleich künstlerischer Berater der Ammerseerenade. Dass "Der große Carl-Orff-Tag" mit drei Veranstaltungen im Rahmen des Festivals stattfand, brachte den Ereignissen mehr Aufmerksamkeit, zumal auch der mit 20 000 Euro dotierte Carl-Orff-Preis verliehen werden sollte. Seit 2008 wird er für besondere Verdienste um das Orffsche Werk von der Stiftung vergeben. Christian von Gehren war als Kandidat wohl längst fällig. Von 2009 bis 2015 stand er am Pult der Orff-Festspiele in Andechs, leitete die Orff-Akademie des BR und gründete 2011 das Andechser Festspielorchester. Kaum ein Dirigent hat sich so intensiv mit dem Werk des Komponisten befasst und seine Erkenntnisse unmittelbar auch dem Publikum präsentiert. "Viele Orffsche Instrumentationsraffinessen nahm ich bei seinen Aufführungen wahr, und es war eine Freude, wie die jugendlichen Musiker sich mit den rhythmisch zum Teil äußerst vertrackten Partituren auseinandergesetzt haben", würdigte der einstige Orff-Schüler Hiller von Gehrens Arbeit in seiner Laudatio.

Im großen Saal des Dießener Augustinums nahm Christian von Gehren nicht nur den Preis entgegen, sondern stellte sich dem Publikum erstmals in dieser Gegend als Pianist vor. In der Regel wird die Rolle des Klavierbegleiters bei Liederabenden dem Gesangspart nachgestellt. Hier war die Konstellation etwas ausgewogener, geschuldet dem Repertoire des beginnenden 20. Jahrhunderts sowie der weitgehend orchestralen Auffassung der instrumentalen Unterlage, die im Gesamtklangbild aufzugehen hatte. Auch in der Rolle des Pianisten blieb von Gehren Dirigent seines Zehnfingerorchesters, das diszipliniert und einfühlsam auf die Sänger einging - das Ehepaar Ursula Eittinger (Mezzosopran) und Wolfgang Newerla (Bariton; auch er ein Carl Orff-Preisträger) - aber andererseits auch die jeweilige Atmosphäre betont emotional prägte. Und das galt nicht nur bei Orffs Liedern. Spätestens bei Richard Strauss waren große Stimmungsszenarien ein Muss.

Die Auswahl der Komponisten und Werke erwies sich in Hinblick auf Orff als überaus aufschlussreich. Frühen Werken sollte nicht immer übermäßig viel Gewicht zugemessen werden. Doch Orffs Zyklus "Eliland" op. 12, der auf Wagner verwies und "Ein Sang vom Chiemsee" ist, offenbarte den Weg des Bühnenwerkers. Sagen, Volksmärchen und Legenden sollten ihn zeitlebens fesseln und Träger seiner atmosphärischen Klangwelt werden, die von Gehren auch im Wagnerianischen Vor- und Nachspiel deutlich herausstellte.

In seiner Frühzeit hatte Orff viele Lieder komponiert. Der unmittelbare Vergleich zu Liedern von Armin Knab, Orffs Lehrer Heinrich Kaminski sowie Richard Strauss offenbarte deutlich Vorbilder einzelner Elemente seiner Musik. Repetitive Muster und Motive, Phrasengestaltung, Sprachgebundenheit, harmonische Freiheit durch Modulationen: All das sollte Orff schon bald in seinen Liedern schlüssig in Form bringen und den einzelnen Elementen einen neuen Sinn innerhalb seines persönlichen Stils geben. Eittinger und noch deutlicher Newerla - vor allem in Knabs vier Liedern "An eine Rose" nach Texten von Hölderlin, Hebbel und der Vring - demonstrierten eindringlich, was musikalischen Sprachduktus ausmacht und wie aus Sprache Musik wird, was Orff später in seinen Dramen als Gestaltungsmittel zunehmend in den Mittelpunkt stellte.

Das rezitativisch-minimalistische, monoton wirkende Kreisen in der Musik fand sich schon in Kaminskis Werk "Drei bretonische Gesänge", insbesondere in der rhythmisierten Litanei "Am Sonntag Trinitatis", noch deutlicher in Knabs Sinnieren "Die letzte Rose", später insbesondere in dessen Mombert-Liedern, wo eine kurzmotivische Rezitation auch klare Verbindungen zu Orff herstellte. In den Strauss-Liedern waren es der weite Tonraum - vor allem in "Ich trage meine Minne" von Eittinger erschlossen -, die zarte atmosphärische Lyrik (etwa in "Traum durch die Dämmerung"), aber auch die großen hymnischen Öffnungen wie in "Zueignung", die Newerla mit imposanter Dynamik inszenierte. Ein üppiger Liederabend und eine fesselnde Lehrstunde der Orff-Werdung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: