Dießen:Den Atem angehalten

Die junge Geigerin Arabella Steinbacher im Marienmünster

Von Katharina Schoebi, Dießen

Eine Sprache, die Menschen aus allen Teilen der Welt verstehen, die ständig überall neu entsteht und doch verbindend wirkt: Das ist Musik. Gespräch ist sie auch auf kleinem Raum, ob zwischen dem Komponisten und zum Beispiel seiner Geliebten, oder zwischen Musiker und Publikum. Der Rotary Club hat sich mit dem Benefizkonzert der Geigerin Arabella Steinbacher zum Ziel gesetzt, diese Ureigenschaft der Musik zu nutzen. Durch gemeinsamen Musikunterricht soll der Dialog zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Kulturen gefördert und musikbegeisterten Kindern die Chance gegeben werden, eine Weltklasse-Musikerin hautnah zu erleben. Auf den Stufen zum Altarraum hatten die Musikschüler aber nicht nur wegen der guten Sicht Platz genommen - die Bänke des Marienmünsters waren lückenlos belegt.

Arabella Steinbacher führte schließlich vor, was Dialoge in der Musik bedeuten: In der Fuge der ersten Solosonate von Johann Sebastian Bach ließ sie scheinbar mühelos verschiedene Stimmen miteinander sprechen, so differenziert in Gewichtung und Charakter, dass sich wohl mancher nach der zweiten Geige im Raum umsah. Mit offenen Ohren ging sie auf die Akustik ein, kostete Arpeggien besonders aus und ließ dem Klang Zeit, sich in der großen Kirche zu entfalten. Überhaupt war ihr Programm dem Konzertort verbunden: Bach schrieb seine Solosonaten im Jahr 1720, im ersten Baujahr des Marienmünsters. Eindrucksvoll ist, dass die Geige, die Steinbacher zur Zeit spielt, noch einige Jahre älter ist.

Manch einem mag Bach bei ihr an einigen Stellen ein wenig zu süß klingen, seine mutigen Harmonien müssen voller Spannung sein, Dissonanzen dürfen richtig wehtun. "Besessen" von diesen Klängen Bachs schrieb Eugène Ysaÿe im 20. Jahrhundert die sechs Solosonaten für Violine. In der zweiten Sonate, die Steinbacher interpretierte, zitiert er sogar direkt eine Partita von Bach und nennt den ersten Satz "Obsession". Hier war die junge Musikerin ganz in ihrem Element. Mit großer Virtuosität und spürbarer Freude an dieser farbenreichen Musik spielte sie ihre eigenen Ideen aus, erzeugte klingende Pizzicati und knisterndes Flageolett.

Immer wenn eine singende Passage beginnt, zum Beispiel auch in Prokofjews Solosonate in D-Dur, hat man bei Steinbacher das Gefühl, es werde noch ein bisschen stiller im Publikum. Als hielten alle den Atem an. Sie selbst wirkt dann hingegen vollkommen entspannt, lächelt bei geschlossenen Augen und genießt. Dabei bleibt sie nur selten ruhig stehen, mal bewegt sie sich fast tänzerisch zur Musik, mal sehr energisch. Schließlich kann sie ohne Orchester- oder Klavierbegleitung sowohl musikalisch als auch körperlich unheimlich frei sein, ein Umstand, der dieser Musikerin sehr entgegenkommt. Den Rücken zeigte sie den Dießenern beim Spielen allerdings nicht. In einem früheren Konzert hatte sie sich einmal, ohne es zu merken, um 180 Grad gedreht.

Bei ihrer Zugabe von der Empore, der bekannten "Meditation" aus Jules Massenets Oper "Thaïs", wurde sie von Anton Pfell an der Orgel begleitet. Schwerelos und zum Teil wohltuend leise schwebte die Melodie über den gedämpften Orgelklängen. Vom Publikum gab es dafür stehende Ovationen.

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