"Die Bedeutung der Presse":Intellektuelle Heimat

Niederpöcking: La Villa Interview mit Kurt Kister

Professorin Manuela Pietraß interviewt SZ-Chefredakteur Kurt Kister beim Forum Feldafing.

(Foto: Nila Thiel)

SZ-Chefredakteur Kurt Kister beim Forum Feldafing

Von David Costanzo, Pöcking

"Das Smartphone", sagt Kurt Kister, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, und zieht seines aus dem Jackett, "hat unser aller Leben so sehr verändert wie sonst nichts." Menschen befreunden sich darüber, Menschen machen mit ihren Partnern per Kurzmitteilung Schluss und natürlich informieren sie sich auch auf der Fünf-Zoll-Bildschirmdiagonalen. Es tobe eine "zweite Gutenbergsche Revolution", sagt Kister. Wie die Menschen in zehn Jahren kommunizieren? Was das für die Zeitung bedeutet? Wie sich Qualitätsjournalismus finanziert? Das könne er nicht sagen.

Prognosen und Patentrezepte gab es nicht bei der Diskussion "Die essenzielle Bedeutung der Presse für die Demokratie" des Vereins Forum Feldafing am Montagabend im Hotel La Villa in Niederpöcking, aber Szenarien und Ausblicke. Vor etwa 100 Besuchern interviewte die Vorsitzende, Professorin Manuela Pietraß, den SZ-Chefredakteur und schickte vorweg: "Ich atme durch die Tageszeitung." Ob so ein Smartphone-Bildschirm nicht viel zu klein sei, um manch eine Idee zu erfassen, fragte Pietraß nach - siehe die Seite Drei? Kister nannte sie daraufhin "eine sympathische Konservative", was er als unbedingtes Kompliment verstand. Er fühle das schließlich genau so - trat aber gleich selbst den Gegenbeweis an.

Noch vor ein paar Jahren habe er ein Buch nur dann für ein Buch gehalten, wenn es gebunden, geklebt und in einen Buchdeckel gepresst sei. In den Urlaub habe er bis zu 40 Bände in einer Tasche mitgeschleppt. "Eher trete ich zu Scientology über, als dass ich auf einem E-Reader lese", seien seine Gedanken gewesen. Mittlerweile habe er 2000 Werke auf dem Gerät gespeichert. Auch wenn er eher zum Pessimismus neige, könnten im optimistischen Fall gedruckte Zeitungen und digitale Angebote in Zukunft koexistieren und sich wechselseitig ergänzen. Als Pessimist fühle er sich dagegen wie ein Kavallerist im Jahr 1915, dessen uralte Technik sich durch die Erfindung des Maschinengewehrs erübrigt hatte, weswegen er vom Pferd in den Schützengraben hinabstieg. Kister hatte in seiner Jugend Offizier werden wollen (oder Archäologe).

In dieser Zeit des Umbruchs sehe er als Chefredakteur oder "Change Process Manager", wie er sich ironisch nannte, eine seiner Hauptaufgaben darin, den Geist der SZ in die Zukunft zu tragen - den Geist, den Vorbilder wie Hans Ulrich Kempski oder Herbert Riehl-Heyse geprägt hätten, der Kisters Idee von Journalismus geformt habe und der schwer zu beschreiben sei. Auch wenn die Zahl der Leser der gedruckten Ausgabe sinke, wolle er die Zeitung als Bestandteil des Alltags erhalten, der Heimat biete - im intellektuellen wie im regionalen Sinne etwa als Starnberger Landkreisausgabe.

Gleichwohl sei der Satz "Ich hab's im Netz gelesen", der mittlerweile einer der meist gehörten sei, "relativ gefährlich" für eine Zeitung mit Charakter und einer Idee. Denn er belege, dass vielen nicht mehr wichtig sei, woher sie eine Information haben, sondern nur noch, dass sie etwas aufgeschnappt haben.

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