Breitbrunn:Die Schlacht um Saft

Unternehmer Johannes von Perger versucht einen Neustart. Den Mitgliedern der einstigen Genossenschaft stößt das sauer auf, sie fühlen sich um ihr Geld gebracht. Und die Staatsanwaltschaft prüft sechs Strafanzeigen

Von Astrid Becker und Christian Deussing, Breitbrunn

Die Internetpräsenz offenbart es: Johannes Freiherr von Perger wagt unter dem Dach der Maisinger Seehof GmbH einen Neuanfang. Neben seinen beiden Streuobstsäften, die er bereits im Oktober 2015 auf den Markt gebracht hatte, besinnt er sich nun auch auf seine einstige Kernkompetenz: "normale" Bio-Obstsäfte, Nektare und Glühweine. Mitglieder seiner ehemaligen und mittlerweile insolventen Genossenschaft bringt dies in Rage. Sie fühlen sich von Perger um ihre Ersparnisse gebracht. Mittlerweile muss sich auch die Staatsanwaltschaft mit dem Fall beschäftigen: Ihr liegen sechs Strafanzeigen wegen Verdachts auf Betrug vor.

Man muss einen Blick in die Vergangenheit und in Unmengen an Unterlagen werfen - die der SZ vorliegen -, um die Wut der Genossen zu verstehen. 2012 war die Genossenschaft in Breitbrunn gegründet worden. Um Mitglieder dafür zu werben, hatte Johannes von Perger einen Flyer aufgelegt, in dem von einem sinnvollen Investment "zum Wohle von Mensch und Umwelt" die Rede ist und in dem auch ein klares Versprechen abgegeben wird: "Ihre persönliche Rendite liegt bei zirka vier Prozent". Zudem, so ist es bereits dort zu lesen, sollte der Familienbetrieb Perger in die Genossenschaft übergeführt werden bei einer Jahresproduktionsleistung von zwei Millionen Flaschen und einem Umsatz von 1,6 Millionen Euro im Jahr 2011: "Wir setzen dabei auf ein Modell, das als insolvenzsicherste und nachhaltigste Unternehmensform gilt."

Breitbrunn Perger

Johannes von Perger folgt mit seiner Geschäftsidee der Tradition seiner Familie. Diese hatte vor etwa 60 Jahren mit der Saftproduktion begonnen.

(Foto: Georgine Treybal)

Für die Genossen muss das wie Hohn klingen: Denn das Ende der Geschichte ist bekannt. Alle Perger-Altbetriebe wie auch die Genossenschaft gingen vor zwei Jahren insolvent, Johannes von Perger landete in der Privatinsolvenz. Das Grundstück in Breitbrunn, auf dem Perger noch heute lebt und auf dem er auch mit der Maisinger Seehof GmbH Säfte produziert, steht seit längerer Zeit für 2,7 Millionen Euro zum Verkauf - noch. Denn sollte sich kein Käufer finden, wird es wohl zwangsversteigert werden. Obwohl er also Gefahr lief, Wohnhaus und Produktionsstätte zu verlieren, zeigte sich Perger im Winter vom dem bevorstehenden Verkauf seines seit 1956 in Familienbesitz befindlichen Grundstücks nebst Bebauung nur wenig erschüttert: "So schnell geht das eh' nicht", sagte er damals zur SZ.

Für diese Aussage sprechen ein paar baurechtliche Fakten: Das Areal liegt im Außenbereich und wird quasi landwirtschaftlich genutzt. Flächen außen herum, die beispielsweise als Weiden oder dergleichen für Viehhaltung geeignet erscheinen, gehören dem Vernehmen nach nicht dazu - für jemanden, der dort beispielsweise Pferde unterbringen und für sie einen Stall nebst Koppeln bauen wollte, dürften sie wohl wenig geeignet sein. Das mag Pergers Gelassenheit erklären - denn er wünscht sich, seinen Aussagen vom November 2015 zufolge, einen Käufer, der ihn auf seinem Familien- und Betriebssitz weitermachen lässt. Große Zweifel, dass ihm dies auch gelingen wird, schien er damals im Winter jedenfalls nicht zu hegen. Ganz verwunderlich ist dies auch nicht: Immerhin war es der Wirt des Maisinger Seehofes, Michael Smolka, der die Markenrechte an Perger erwarb, um mit ihm gemeinsam unter anderem auch Limonaden herzustellen. Was also schon einmal gelungen ist, könnte sich ja wiederholen - so könnte der Traum des Saftherstellers wohl verstanden werden.

Breitbrunn: Übernahme Perger Säfte

Streuobstsäfte mit diesem Logo hat Perger 2015 präsentiert.

(Foto: Nila Thiel)

Doch genau darum geht es den Genossen: Am liebsten würden sie verhindern, dass noch mal irgendjemand Perger sponsert, so wie sie es nach ihrer Ansicht getan haben. Denn an einen verantwortungsvollen Umgang Pergers mit dem Geld anderer Leute glauben sie nicht mehr.

Der Zorn und die Enttäuschung der einstigen Genossen sind menschlich nachvollziehbar. Sie haben auf Perger vertraut, ihm Geld gegeben, um ein regionales Bio-Unternehmen zukunftsfähig zu machen, und auf eine Marke mit einem ausgezeichneten Image gesetzt. Die Mindesteinlage in die Genossenschaft lag bei 500 Euro, die meisten der etwa 400 Mitglieder haben aber weitaus mehr Geld investiert - insgesamt kamen auf diese Weise 1,8 Millionen Euro zusammen. Von einem Mitglied ist sogar die Rede, das seine gesamte Altersvorsorge in das Vorhaben gesteckt haben soll, angeblich um die 100 000 Euro. Die versprochene Rendite haben die Genossen allerdings nicht gesehen, im Gegenteil: Sie müssen damit rechnen, ihr Geld komplett verloren zu haben - und nicht zu erfahren, wie die Insolvenz abgewickelt wird. Denn sie gelten rechtlich als Eigentümer, nicht als Gläubiger. Und nur letzteren ist der Insolvenzverwalter Stephan Amann verpflichtet. Seine Kanzlei hat den Genossen das unmissverständlich in einem Schreiben klar gemacht. Daher wissen sie auch nicht, welchen Preis der Maisinger Wirt Smolka für die Markenrechte bezahlt hat, die ursprünglich im Besitz der Genossenschaft waren. Wie die SZ erfahren hat, soll nicht viel Geld geflossen sein, angeblich, weil das Interesse an den Rechten nicht mehr besonders hoch gewesen sein soll.

Doch da sind noch viele andere Punkte, die den Genossen sauer aufstoßen. Offenbar haben sie erst im nachhinein einen Blick in die Bilanzen geworfen, die im Bundesanzeiger noch immer veröffentlicht sind (www.bundesanzeiger.de). Ein besonders rosiges Bild geben diese auch schon vor der Gründung der Genossenschaft nicht ab - vor allem die Zahlen der Perger Säfte GmbH. Sie weisen für das Geschäftsjahr 2010/2011 nur mehr einen Kassen-, beziehungsweise Bankbestand in Höhe von 143,01 Euro auf, ein Jahr zuvor waren es nur 21,97 Euro gewesen. Einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zufolge, dem die SZ die Zahlen vorlegte, war Perger zwar nicht überschuldet, - denn dafür hatte er noch zu viele Rücklagen, Eigenkapital und Anlagevermögen. Es fehlte ihm aber eindeutig an liquiden Mitteln, weshalb er sich wohl auch für die Gründung der neuen Unternehmensform entschlossen hat, auch, um unabhängiger von Banken zu sein, wie er stets betonte, und besser expandieren zu können.

Breitbrunn Perger

Auf dem Perger-Gelände gibt es auch einen Hofladen.

(Foto: Georgine Treybal)

An sich kein illegitimer Weg. Doch die Genossen behaupten, Perger sei schon lange hoch verschuldet gewesen und habe sie belogen. Er habe ihnen einen profitablen Betrieb vorgegaukelt und beispielsweise verschwiegen, dass er in den Jahren 2009 bis 2012 keinen Gewinn erwirtschaftet habe. Zudem soll Perger unerlaubter Weise Vermögen der Genossenschaft in seine Altbetriebe verschoben haben - und zwar zu einer Zeit, in der er gleichzeitig Vorstand der Genossenschaft und Geschäftsführer seiner Altbetriebe war. Tatsächlich trat Perger im August 2013 als Vorstand der Genossenschaft zurück - offenbar auf Druck. Auf dem gemeinsamen Betriebsgelände gründeten Pergers Kinder zudem noch eine neue Saftfirma, "Ammersee Getränke GmbH" - was die Genossen schon damals als Kampfansage werteten.

Allein diese Punkte zeigen, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Perger und den Genossen gewesen sein muss. Einer der größten Streitpunkte ist und bleibt vermutlich die Abfüllanlage, die Perger erworben hatte und die nach Ansicht der Genossen viel zu überdimensioniert ausgefallen ist. Damit, so sagen sie auch noch heute, sei eine kostengünstige Produktion der Säfte nicht möglich gewesen. Ein Teil des Umlauf- und Anlagevermögens der Altbetriebe sei daher zu diesem Zeitpunkt bereits an die Genossenschaft übertragen worden, so dass weder Perger noch die Genossenschaft als Betrieb hätten überleben können: So hatte die Genossenschaft die Markenrechte und die Presse, Perger das Obst und die Abfüllanlage.

Und dann seien da auch noch fragwürdige Pfandflaschen-Geschäfte mit der Firma Urgibl gelaufen, die unter anderem in Kirchseeon ein Gartencenter betreibt. Es handelte sich dem Vernehmen nach um ein sogenanntes Sale-and-lease-back-Geschäft oder, zu Deutsch, um einen Rückmietkauf. Zu derlei Verträgen wird meist Unternehmern mit Liquiditätsengpässen geraten, die nicht mehr über eine aussagekräftige Bonität verfügen.

Wie die Geschäftsbeziehung zwischen Perger und Urgibl endete, ist bekannt. Die Firma beantragte die Privatinsolvenz Pergers. Dieser muss nun Geld verdienen, so schreibt es das Insolvenzrecht vor, um zumindest anteilig seine Gläubiger befriedigen zu können, und damit ihm am Ende die Restschulden erlassen werden. Die Genossen befürchten, Perger werde erneut nur einen Weg kennen, wie das zu bewerkstelligen ist: mit dem Geld anderer.

Ob der Breitbrunner eine Chance hat, auch als Unternehmer zu überleben, liegt letztendlich wohl auch in der Entscheidungsgewalt der Staatsanwaltschaft. Sie prüft derzeit nach eigenen Aussagen, ob ein Anfangsverdacht auf Betrug gegeben ist und weitere Ermittlungen eingeleitet werden müssen. Perger selbst war nicht zu sprechen. Er teilte nach mehrmaligen Anfragen in einer Mail lediglich mit: "Zu den alten Themen gibt es nix Neues, das dauert noch, vielleicht auch noch Jahre." Als ihn die SZ mit den Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft konfrontiert, meldet sich Pergers Anwalt. Er könne seinem Mandanten derzeit nicht empfehlen, zu den Fragen der SZ Stellung zu nehmen.

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