Kultur:Der Alleskönner

Regisseur Hanns Christian Müller aus Breitbrunn ist mit Gerhard Polt bekannt geworden. Heute macht der umtriebige Musiker wieder Theater, produziert CDs der "Wellbappn" und Videoclips

Interview von Gerhard Summer, Breitbrunn

Wenn andere Leute aufwachen, passiert in der Regel herzlich wenig. Im besten Fall bleiben sie liegen. Bei Hanns Christian Müller ist das wohl ähnlich, aber letzthin ist ihm etwas eingefallen beim Aufwachen. Ein Song, er heißt "Do it again", ganz so wie eine Nummer von Steely Dan. Aber er klingt nach Soul.

Schlagzeug setzt ein, der Bass brummt, ein Sänger kommt dazu, der Vokalist der Beatstones. "Ganz was Einfaches", kommentiert Müller, 66. Er sitzt im winzigen Studio seines kleinen Holzhauses, das einen an eine Onkel-Tom-Hütte denken lässt oder an den Rückzugsort eines Einsiedlers. Dort nimmt der Autor, Regisseur, Produzent, Komponist und Musiker auf und schneidet seine Filme. Vier große Monitore stehen auf dem Tisch, dazu zwei edle Boxen. In einer Ecke ein altes Schlagzeug. Daneben an der Wand: Goldene Schallplatten. Auf den Fensterbrettern Krimskrams wie Holzgiraffen, Eule und Elefant, ein Wecker, der auf viertel nach Eins zeigt. Wer nach draußen schaut, blickt auf den vom Dunst erblassten Ammersee und Segelboote, eines babyblau, eines weiß-rot.

Müller hat auch einen Wiesnhit geschrieben, leider war er heuer damit zu spät dran. Er klickt auf der Apple-Tastatur herum und zeigt den Videoclip. Der Refrain geht ungefähr so: "Was macht der Bär auf dem Oktoberfest/wenn keiner ihn mal saufen lässt/er kauft sich selber eine Mass/ und hat einen Riesenspaß." Dazu Bilder vom Wiesnwahnsinn und von einem abgehalfterten Säufer, der am Ende ins Krankenhaus kommt. Ein Schauspieler, klar.

Jetzt aber, andere Baustelle: Ein Film mit Puppen vom Marionettentheater Düsseldorf, diesmal stammt die komplette Musik vom Sänger der Beatstones. "Ein netter Clip ist das", meint Müller, wie er überhaupt gerne sagt, dass jetzt was Lustiges kommt oder etwas, das ihm Freude gemacht hat. Leider ist nichts zu hören, obwohl doch eben noch alles funktioniert hat. "Warum ist da kein Ton?", fragt Müller rhetorisch. Er zieht an Kabeln. Schaltet ein und aus. Prüft Verbindungen. Das geht zehn Minuten so, bis er sich endlich "nicht mehr rumärgern will".

Kultur: Bildschirme und drei Tastaturen: Hanns Christian Müller an seinem Arbeitsplatz in Breitbrunn.

Bildschirme und drei Tastaturen: Hanns Christian Müller an seinem Arbeitsplatz in Breitbrunn.

(Foto: Nila Thiel)

Wer Christian Müller in Breitbrunn am Ammersee besucht, in dieser traumhaften Hütte am See, kommt nicht so schnell wieder raus. Dazu hat der Mann zu viel zu erzählen und vorzuführen, dazu ist Müller auch zu getrieben von immer neuen Ideen. Er kommt von einem Thema aufs nächste, von Gerhard Polt auf die Band Heilig, vom schwierigen Zusammenleben mit seiner Ex-Frau Gisela Schneeberger auf die längst aufgelöste Biermösl Blosn, die Couplet-AG und die Toten Hosen. Zwei ihrer großen Hits, "Sascha" und "Zehn kleine Negerlein" stammen von ihm.

Zwischendrin versucht er, die Computer wieder zum Laufen zu bringen, serviert Kartoffeln aus dem Küchenofen, den er als Heizung benutzt, und ein Glas Rotwein. Er erzählt von seinen Theaterproduktionen nach 14 Jahren Abstinenz, 2013 mit Hans Scheibners Wirtschaftssatire "Die Geiselnahme" und 2014 mit Michaela May ("Blind Dates"), die in den "Münchner Geschichten" Tscharlys Freundin Susi war. Von der Wellbappn-CD "Schneller", die er zuletzt aufgenommen, gemischt und produziert hat. Von seinem Internet-Projekt "Radio Ikebana", das nach einem Jahr schon 500 bis 1000 Klicks am Tag verzeichnet und als Gesamtkunstwerk à la Monty Pythons gedacht ist, mit Videoclips, Comics und Musik. Oder von seinem Film "Willkommen in Kronstadt" über ein Kaff, in dem Rechtsradikale randalieren und alles zusammenbricht, als die Ausländer den Ort verlassen. Die Produktion lief Mitte der 90-er Jahre im Fernsehen. Blöderweise war vorher ein "Brennpunkt" angesetzt und auf einem anderen Kanal auch noch das Länderspiel Deutschland gegen Holland geboten. So geht das ein paar Stunden dahin, und wenn man's gar nicht erwartet, sprudeln aus Müller plötzlich wunderbare Sätze heraus: "Ich kenn so viele Leute, die haben so wenig Gaudi auf hohem Niveau", sagt er. "Die zeigen ihre Australienfotos - und du siehst, wie fad das gewesen ist." Ja, das sei eben so, wie es Polt in "D'Anni hat g'sagt" beschrieben hat: "Wir ham eine Weltreise gemacht - also da fahr' ma nimmer hin."

Kultur: Beim Videoclip des Marionettentheaters Düsseldorf war Müller nur Produzent.

Beim Videoclip des Marionettentheaters Düsseldorf war Müller nur Produzent.

(Foto: Thiel)

Müller und Polt, das waren zwei Namen für ein- und dieselbe Sache: intelligente, bissige und ins Absurde getriebene Satire. "Kehraus", "Man spricht deutsh", die Revue "Tchurangrati" und natürlich "Fast wia im richtigen Leben" - Müller war immer als Co-Autor und Regisseur dabei. Zwei Jahrzehnte lang hat er mit Polt zusammengearbeitet, bis 2006. Nein, sagt Müller, er habe sich nie gestritten mit Polt, der längst "ein Universum für sich ist". Das Problem sei nur gewesen: "Polt war damals umlagert von Leuten, die ihm erzählten, wie super er ist." Der Meister ließ sich deshalb vom Regisseur kaum noch was sagen, "wir haben über jeden Pfurz diskutiert". 2001 ließ sich Müller noch einmal auf einen Film ein - "Germanikus". Er brauchte damals Geld für den Umbau seines kleinen Holzhauses, das über einer Bootshütte erbaut ist. Doch "Germanikus" war kein Spaß für ihn. Denn Polt und Regisseur Hans Weth hätten versucht, die "matten Schoten, die ich aus dem Text rausgeschmissen hab, durch die Hintertür wieder einzuführen". Ein "ewiges Hickhack" war die Folge. Irgendwann fragte sich Müller: "Brauch ich des?" Preise hatte er eh schon genug, der Erfolg hatte ihn noch "nie fröhlich gemacht". Und so kam der Alleskönner zu dem Schluss, dass es gescheiter sei, nur noch das zu machen, was ihm Spaß bereitet. Weil er aber nicht sonderlich "zielstrebig oder nützlich denkt", ist es für ihn oft gar nicht so leicht, eine Nische zu finden. Denn Müllers Projekte, seien es "Die Abenteuer von Gerda Waldmaus" oder eben der "Kronstadt"-Film, passen eher schlecht in Schubladen.

Dabei gibt es fast nichts, was der 66-Jährige nicht könnte. Er spielt Bass, ein wenig Schlagzeug, Klavier, dazu Gitarre; in der Ecke steht eine alte schwarze Fender, als wär's ein Flohmarktfund, dabei ist das gute Stück ein kleines Vermögen wert. Mit 13 hatte er seine erste Band, später spielte er mit den Formationen Prowlers R&B und Kaleidoscope die Faschingsnächte durch. Er trat als Musiker im Mitternachtstheater und im Rationaltheater München auf, so kam er zum Kabarett. Er fing als Tonmeister an, weil er unzufrieden mit dem Schnitt war. Eines führte zum anderen: Theater zum Fernsehen, Fernsehen zum Kino, Kino zur Filmmusik. Müller weiß sogar, wie man das Münchner Volkstheater leitet, immerhin war er ein Jahr lang sein Intendant. Der Mann ist ein Universalist, wie er selten geworden ist, der Sideman aller Satiriker, ein Begleiter also, der erst dann im Gesamtklang auffällt, wenn er fehlt. Star war er nie. Müller nennt das "Schwebezustand". Er sei in der Szene zwar bekannt, stehe aber nicht in der Bunten, und das sei "gar nicht schlecht".

Kultur: Bei der Fernsehserie "Fast wia im richtigen Leben" war Müller Autor und Produzent.

Bei der Fernsehserie "Fast wia im richtigen Leben" war Müller Autor und Produzent.

(Foto: Nila Thiel)

Der Ton geht wieder, weiß der Himmel, woran es lag. Müller führt einen Videoclip mit Heilig vor. Eine kleine witzige Geschichte, dazu geradliniger Rock'n'Roll das ist nach seinem Geschmack. Musik zum Aufwachen sozusagen.

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