Berufungsverhandlung:Ankläger wird Verteidiger

Ein ehemaliger Staatsanwalt erwirkt als Rechtsanwalt eine mildere Strafe für seinen Mandanten. In der ersten Verhandlung standen sie sich als Angeklagter und Kläger gegenüber

Von Andreas Salch, Starnberg/München

Man trifft sich bekanntlich immer zweimal im Leben: Vor etwas mehr als einem Jahr hat der ehemalige Staatsanwalt am Landgericht München I, Florian Opper, nach eigenen Worten "sehr viel Schweiß darauf verwendet", dass ein Kaufmann, der seine Frau im Streit zu Boden gestoßen hatte, wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt wird. Inzwischen hat der Jurist die Seiten gewechselt. Er arbeitet jetzt als Rechtsanwalt bei einer großen Kanzlei in der Münchner Innenstadt. Am Mittwoch war der Kaufmann, auf dessen Verurteilung Opper im März vergangenen Jahres noch so viel Wert gelegt hatte, sein Mandant.

Knapp vier Wochen nach der Verurteilung in München im März 2016 zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 800 Euro hatte der Kaufmann laut Anklage am 22. April morgens kurz vor 8 Uhr mitten auf der Münchner Straße in Starnberg erneut zugeschlagen. Opfer war ein 27-jähriger Starnberger. Passiert war demnach folgendes: Der Starnberger fuhr nach Angaben des Kaufmanns mit seinem Auto hupend von einer Seitenstraße aus auf die Münchner Straße und fädelte sich vor dem Wagen des Angeklagten ein. Der rastete daraufhin aus. Da die Ampel gerade auf Rot stand, stieg der 45-Jährige aus und lief zum Auto des Starnbergers, der die Seitenscheibe heruntergelassen hatte. Es soll zu einem Wortgefecht gekommen sein, den der Kaufmann beendete, indem er seinem Kontrahenten einen Faustschlag versetzte.

"Hätte alles nicht sein müssen. Ich habe völlig überreagiert. Es tut mir leid", sagte der Angeklagte am Mittwoch vor dem Landgericht München II, wo er Berufung gegen seine Verurteilung durch das Amtsgericht Starnberg eingelegt hatte. Im August dieses Jahres hatte es den 45-Jährigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem hatte das Gericht angeordnet, den Führerschein des Kaufmanns für die Dauer von zwölf Monaten einzuziehen.

Sollte es bei dieser Entscheidung bleiben, wäre dies ein Problem, sagte Rechtsanwalt Opper in der Verhandlung vor dem Landgericht München II. Zwischen dem Kaufmann und dessen früherer Frau tobe ein Rosenkrieg. Seinem Mandanten werde der Umgang mit den Kindern verwehrt, obwohl er einen Anspruch darauf habe. Eine weitere Verurteilung wegen eines Gewaltdelikts wäre da "Wasser auf die Mühlen" der früheren Ehefrau. Sie könnte dies zum Vorwand nehmen, um ihrem Ex-Mann den Umgang untersagen zu lassen. Er als Staatsanwalt habe ihm diese "Vorstrafe eingebracht", sagte Opper. Das erste Verfahren sei "ein bisschen unglücklich" verlaufen. Deshalb fühle er sich nun verantwortlich. "Jetzt muss ich ihn wieder rausholen", erklärte er.

Auf die Frage von Richterin Sabine Klemt, was das Ziel der Berufung sei, antwortete der Verteidiger. "Ich formuliere es einmal ganz frech: Paragraf 153 a", die Einstellung des Verfahrens also. Richterin Klemt winkte sofort und entschieden ab. "Das kann man nicht machen", lautete ihre Antwort. Dennoch wurde das Urteil des Amtsgerichts am Ende abgeändert. Die Bewährungsstrafe fiel weg. Stattdessen muss der Kaufmann jetzt 3125 Euro Strafe zahlen. Sein Führerschein bleibt noch für drei Monate gesperrt.

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