Bernried:Zwei Männer, ein Berg

Bernried: Ungewöhnliche Begegnung: Bernd Zimmer (rechts, hier mit Museumsdirektor Schreiber) trifft auch Ernst Ludwig Kirchner.

Ungewöhnliche Begegnung: Bernd Zimmer (rechts, hier mit Museumsdirektor Schreiber) trifft auch Ernst Ludwig Kirchner.

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Buchheim-Museum zeigt in der Ausstellung "Gipfeltreffen" die Tinzenhorn-Bilder des Brücke-Malers Ernst Ludwig Kirchner und des in Polling lebenden Künstlers Bernd Zimmer

Von Katja Sebald, Bernried

Im Keller des Buchheim-Museums in Bernried ist vor ein paar Tagen ein "Labor der Phantasie" eröffnet worden, eine Etage höher gibt es vom kommenden Wochenende an ebenfalls Experimente: Erstmals trifft einer der Hausgötter der Buchheim'schen Sammlung in einer gemeinsamen Ausstellung auf einen zeitgenössischen Künstler. Und weil der Brücke-Maler Ernst Ludwig Kirchner und der mittlerweile in die Jahre gekommene "Junge Wilde" Bernd Zimmer das Tinzenhorn in den Schweizer Bergen als gemeinsames Thema haben, ist diese Sonderausstellung mit "Gipfeltreffen" überschrieben. Bergsteiger Reinhold Messner hat die Schirmherrschaft übernommen.

Dennoch ist für einen der beiden Protagonisten die Versuchsanordnung "ein Wagnis": Als Bernd Zimmer zur Vorbesichtigung kommt, ist er sich noch nicht sicher, ob sein Zyklus "Kirchner Reloaded" neben den berühmten Gemälden aus den Bernrieder Beständen und den atemberaubenden Leihgaben aus dem Kirchner-Museum in Davos und der Pinakothek der Moderne bestehen können. Um es vorwegzunehmen: Sie können. Mehr noch, sie ermöglichen durch kluge Gegenüberstellungen einen neuen Blick auf Kirchner.

Die beiden Künstler waren sich erstmals in den Sechzigerjahren sozusagen begegnet- auf dem Dachboden des Wohnhauses von Lothar-Günther Buchheim in Feldafing. Der 1948 in Planegg geborene Zimmer war damals Schüler am Starnberger Gymnasium und mit Buchheims Sohn befreundet. "Die expressionistischen Druckgrafiken lagen dort einfach herum", erinnert sich Zimmer. Buchheim kaufte die Originale, um sie in seinem Kunstkalendern abzudrucken, weil das einfacher war, als sich Bildrechte zu sichern - so die vielzitierte Gründungslegende zu seiner Sammlung. Kirchner jedenfalls wurde für Zimmer eines seiner künstlerischen Leitbilder. Als einer der "Jungen Wilden" im Berlin der Siebzigerjahre sollte er dann mit gegenständlicher Malerei, gestischem Farbauftrag und starker Farbigkeit an die deutschen Expressionisten und ihre "fast anarchistische Heftigkeit", so Buchheim, anknüpfen. In den vergangenen drei Jahren hat sich Zimmer seinem Vorbild von einst noch mal ganz neu genähert: zunächst nur geografisch beim Skifahren in Davos, dann künstlerisch mit einem Bildzyklus zum Tinzenhorn.

Der 3173 Meter hohe Berg wurde mit seiner markanten Form zum "Vermessungspunkt" für Kirchners Kunst in den Schweizer Jahren ab 1917. Er taucht in Holzschnitten und Gemälden auf und ist sogar zwischen den "Wettertannen" und in der "Großen Gebirgslandschaft" präsent, wenn er nicht explizit dargestellt ist. Zimmer spürt Kirchners Bergerlebnissen nach, er greift zunächst die typischen Farbklänge und die stilisierte Form des Gipfels auf, um dann aber mit den Mitteln, die ihm fast hundert Jahre später zur Verfügung stehen, alles in hochexplosiver Farbigkeit aufzulösen.

Museumsdirektor Daniel J. Schreiber versteht die Ausstellung als programmatisch und richtungsweisend für die weitere Öffnung des Museums. Obwohl Buchheim im Stiftungsvertrag explizit festgelegt hatte, in "seinem" Museum nur Exponate aus der eigenen Sammlung zu zeigen, ist Schreiber davon überzeugt, dass dieses "Gipfeltreffen" nach dem Geschmack des Museumsgründers gewesen wäre: "Er wollte verrückte Ausstellungen und eigentlich unmögliche Konstellationen."

Zur Ausstellung "Gipfeltreffen", die am 18. Juli, 18 Uhr, eröffnet wird, gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit Konzerten und Workshops: am 23. August, 11 Uhr, eine Holzschnitt-Performance mit Zimmer an der Motorsäge, am 30. August, 11 Uhr, ein "Gipfelgespräch" mit Messner und Zimmer. Termine unter www.buchheimmuseum.de.

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