Kultur:Wundersame Buchheimwelt

Besucher im Buchheim-Museum; Besucher im Buchheim-Museum

An der Kasse des Buchheim-Museums tummeln sich die Besucher.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Dem neuen Direktor Daniel J. Schreiber gelingt es, das Museum in Bernried wieder zu einem Anziehungspunkt für Kunstfreunde zu machen. Am Dienstag wird der 90 000. Besucher in diesem Jahr erwartet

Von Gerhard Summer, Bernried

Was schon ausgereizt schien, entwickelt wieder Anziehungskraft: Das Buchheim Museum hat heuer so viele Besucher angelockt, wie seit dem Todesjahr seines Gründers 2007 nicht mehr. Am 22. Dezember wird in Bernried der 90 000. Gast erwartet. Noch vor zwei Jahren waren die Publikumszahlen auf 56 000 abgesackt. Direktor Daniel J. Schreiber führt die Trendwende auf Sonderausstellungen wie "Expressionismus²" zurück, die Werke aus den Sammlungen von Lothar-Günther Buchheim und Henri Nannen kombinierte, und auf das überraschend vielfrequentierte Gipfeltreffen zwischen dem einstigen "Jungen Wilden" Bernd Zimmer und Ernst Ludwig Kirchner. Sein Ziel: Der Mann, der das dümpelnde Museumsschiff wieder flottgemacht hat, will den Dampfer "nach und nach in eine sinnliche Wunderwelt verwandeln", wie sie auch Buchheim vorgeschwebt hatte.

Dass die Besucherzahlen ein paar Jahre nach der Eröffnung eines Museums absacken, ist nicht ungewöhnlich. Dieser Effekt sei dramatischer noch bei der Münchner Pinakothek der Moderne zu beobachten und mache sich auch beim Franz-Marc-Museum in Kochel bemerkbar, sagt Schreiber. In Bernried setzte der Abwärtstrend 2003 ein: In den ersten beiden Jahren waren noch jeweils mehr als 200 000 Leute gekommen und hatten Buchheims Sammlungen bestaunt. Doch dann machte sich bei Ausflüglern und Kunstinteressierten offenbar der Eindruck breit, dass sie schon alles gesehen hatten, was bunt ist und Format hat. Es ging bergab. 2013 war die bisherige Talsohle mit 56 000 Leuten erreicht. Im September dieses Jahres fing Schreiber, der vormalig geschäftsführende Kurator der Kunsthalle Tübingen, als neuer Direktor des Hauses an und schaffte die Trendwende. 2014 kam das Museum, das sich jahrelang an Buchheims Diktum gehalten hatte, man solle keine anderen Werke ausleihen, wieder auf 75 000 Besucher. Schreiber erklärt sich die verordnete Selbstbeschränkung mit Buchheims Erfahrungen: Der Maler, Fotograf, Verleger, Kunstbuch- und Romanautor habe seine Sammlungen ja auf Welttournee geschickt und überall Publikumserfolge gefeiert. Er sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dass ein mit diesen attraktiven Werken bestücktes Museum nachhaltig gut besucht sein müsse. Eine Fehlkalkulation, wie sich zeigen sollte. Schreiber sagt es so: "Alle sind sich einig gewesen, dass ein Entwicklungsschritt eingeleitet werden muss."

Seitdem versuchen er und sein Team gleichsam aus Buchheims Perspektive über den Tellerrand zu schauen. Dem 50-jährigen Schreiber geht es um "Rückbeziehungen auf die Sammlung" , er hält ohnehin nichts von der "konservierenden Haltung". In diesem Jahr hat er es erstmals gewagt, einem der Götter im Pantheon Buchheim ein Pendant gegenüber zu stellen: den zeitgenössischen Künstler Bernd Zimmer. Ein Unternehmen, das sehr wohl Risiken barg. Tatsächlich gab es Besucher, die im Gästebuch festhielten, es sei doch ein Sakrileg, so einen "Dekorationsmaler" mit Kirchner zusammenzubringen. Trotzdem lief die Schau erstaunlich gut. Ähnliche Begegnungen plant Schreiber auch für die nächsten Jahre. Es geht ihm dabei um eine Art Spurensuche und um Bildhauer oder Maler, die von dem großen Berserker und Provokateur aus Weimar inspiriert worden sind: beispielsweise um einen japanischen Künstler, der in seiner Heimat eine Buchheim-Ausstellung sah und ein Holzschnitt-Œuvre begann. Oder eine Amerikanerin, die beim Besucher der großen Expressionisten-Sammlung in Detroit "ihr Erweckungserlebnis hatte". Zugleich will Schreiber das Museum mit einem Parkprojekt stärker an die Umgebung und das Dorf Bernried binden: "Es soll wie eine Spinne im Netz sitzen". Und: Was bislang in Buchheims Wohnhaus gehütet worden ist, soll dem Museum implantiert werden. Einige Ensembles seien bereits "eins zu eins übertragen worden, aber wir werden auch noch den räumlichen Kontext herstellen". Schreiber spricht von der Chance, "das Wundersame, das er aus der ganzen Welt zusammengetragen hat, mit der Sammlung zusammenzuführen".

Zu den Plänen, Buchheims Villa abzureißen und mit dem Bau neuer Wohnungen den Betrieb des Museums zu finanzieren, sieht Schreiber keine Alternative. Die Stiftung habe ein "strukturelles Defizit", gebe also mehr aus, als sie einnehme. Damit gehe es darum, dieses "Monument", also das Museum, zukunftsfähig zu machen. Die Variante, das Wohnhaus teuer zu sanieren und als Museumsfiliale zu betreiben, scheidet nach Schreibers Meinung aus: "Da würden dann so viele Besucher kommen wie in die Grüne Galerie - 500 pro Jahr".

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