Bernried:Verführerische Welt

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Franz Xaver Clement betreibt die Schokoladenmanufaktur "Clement Chococult" im Bahnhof in Bernried. Inzwischen hat er er sein Sortiment erweitert und stellt Mandel-Elisenlebkuchen und Baumkuchen her

Von Amelie Plitt, Bernried

Um kurz vor sieben sperrt Chocolatier Franz Xaver Clement die große Holztür seiner verglasten Schokoladenmanufaktur "Clement Chococult" im historischen Bahnhof in Bernried auf. Noch ganz still ist es um ihn herum, die Maschinen, randvoll gefüllt mit dunkler Kuvertüre, sind noch nicht in Betrieb. Trotzdem umgibt ihn schon ein sanfter Duft von Kakaobohnen, der stets durch die Räume weht. Zunächst betritt er den kleinen, klimatisierten Verkaufsraum, geht um die Ladentheke, fasst blind in die Pralinenvitrine und ärgert sich, wenn er sie am Abend nicht wieder aufgefüllt hat, weil er dann tiefer hineingreifen muss. Erst nach diesem kurzen schokoladigen Hochgenuss, etwa einer Praline gefüllt mit Blaumohn und Safran, Mango-Nougat oder Cocos-Himbeere, macht er die Kaffeemaschine und den Lichtschalter an.

Aber der Schein eines so ruhigen Arbeitsalltags trügt: Von der letzten Septemberwoche an herrscht Hochbetrieb in der Schokoladenmanufaktur, die der gelernte Konditormeister Franz Xaver Clement seit 2010 am Bernrieder Bahnhof betreibt. Bis Ende Oktober läuft zum einen die Herstellung von Wiesn-Schokolade noch auf Hochtouren. Die letzten Motivtäfelchen werden noch verpackt und dann zum Verkauf frei gegeben. Da gibt es zum Beispiel Schokoladentafeln mit einem Motiv aus einer Marzipan-Zuckermasse in Form eines "I mog di"-Herzls, eines Dirndls, einer Lederhose oder einer Oktoberfest-Breze. Clement selbst gefallen die Dirndl-Motivschokoladen am besten, "die passen absolut hierher".

Alle sind handgemacht, aus Vollmilch- oder Zartbitterschokolade. Die Schokolade wird in Carré-Formen gegossen, die Motive in die handgemachten Modeln gedrückt, kurz angetrocknet, herausgelöst und dann mit der Airbrush und dem Spritzbeutel in bunten Farben geschminkt. Gerade verpackt eine Mitarbeitern das Endprodukt der Wiesn-Schokolade im Verkaufsraum in transparente Folien und schnürt sie mit einem bayerischen Schleifchen zu. Clement produziert nur auf Anfrage, etwa 3500 Stück seiner Wiesn-Kollektion hat er schon verkauft. Die Motive für die Formen zeichnet der Konditormeister selbst: "Letztes Jahr haben wir eine Auswertung der Wiesn-Motive gemacht, ich habe mir auch schon mal überlegt, einen Dackel oder einen Trachtenhut zu modellieren, aber wer mag denn das auf seiner Schokolade?"

Los ging die Wiesn-Produktion aber schon viel früher: Bereits im Juni begann für Clement und seine acht Mitarbeiter die Herstellung. Mit von der Partie sind seit zwei Jahren auch seine beiden Söhne Sebastian und Max. Seine Frau Andrea betreibt seit November 2015 die Confiserie im Münchner Ruffiniblock. Aber nicht nur die Herstellung der Wiesn-Schokolade ist noch in vollem Gange, daneben läuft in der letzten Septemberwoche die Weihnachtsproduktion an. "Zwar sind wir nicht wie Aldi oder Lidl und haben nach den Sommerferien die Schokolade in den Regalen stehen, aber wir beginnen zumindest Ende September mit der Herstellung, damit die Kunden zur Weihnachtszeit versorgt sind", sagt Clement. Ausgewählt wurden die einzelnen Zutaten für die Weihnachtsschokoladen schon im Mai, sie trudeln in diesen Tagen ein.

Normalerweise arbeitet der gelernte Konditormeister vier Tage die Woche, seit dieser sind es schon fünf, im November dann sechs und drei Wochen vor Weihnachten kommen er und sein Team jeden Tag in die Schokoladenmanufaktur. "Die nächsten Wochen heißt es Vollgas geben und auf die Zähne beißen, damit was Tolles rauskommt", sagt Clement. In der Pralinentheke des Verkaufsraums wird aktuell das saisonale Angebot gewechselt. Neben dem Standardsortiment liegen dort, fein nebeneinander aufgereiht und in verschiedenen Farben und Formen gestaltet, raffiniert verarbeitete winterliche Schokoladenkreationen.

Basis aller Pralinen sind Grand Cru Couverturen aus der südamerikanischen Criollo-Bohne, "ein seltenes und edles Produkt" rühmt Clement seine Confiserieware und zeigt auf sein Sortiment im Verkaufsraum. Kombiniert wird sie etwa mit einer würzigen Lebkuchen-, feiner Zimtblüten-, exotischen Stern-Anis/Sesam- oder fruchtigen Punsch-Gelee-Creme. Die Kuvertüren bezieht der Chocolatier vom Schweizer Schokoladenhersteller Felchlin: "Hier wissen wir, dass die Schokolade vom Anbau bis zur Verarbeitung nachhaltig und fair produziert wird", sagt Clement. Für seine Pralinen verwendet er keine Hohlformen, jede Praline habe das Recht auf ein eigenes Rezept, so der Chocolatier. Auch im Weihnachtssortiment gibt es Motiv-Schokoladentafeln. Schon jetzt türmen sich in den Produktionsräumen der Manufaktur unzählige Bleche, je bestückt mit rund 80 kleinen Engeln, Tannenbäumen, Elchen oder Nikoläusen aus einer Zucker-Marzipanmasse, die auf die Schokoladentafeln gesetzt werden sollen und einzeln geschminkt wurden. Pro Motiv produziert "Clement Chococult" heuer etwa 7000 Stück. 45 Minuten brauche er pro Blech, sagt der Konditormeister. Ein besonderes Geschmackserlebnis bereiten seiner Ansicht nach auch die gefüllten Schokoladen, wie etwa die mit Bratapfel-, Spekulatius- oder Zirbecreme. "Hier, probieren Sie mal", fordert er die Besucherin auf. Als besonders aromatisch erweist sich die mit Zirbecreme. Sie schmeckt erst leicht vanillig, dann tritt ein zart harziges, leicht süßliches Aroma der Füllung, die auf Basis eines österreichischen Zirbenlikörs hergestellt wurde, hinzu.

Eines fällt aber schnell auf, wenn man die Räume der Schokoladenmanufaktur inspiziert: Ein Nikolaus lässt sich nirgends finden. "Viele Kunden fragen danach, wir haben uns aber entschieden, die Gschicht' nicht zu machen", erzählt Clement. Er hat aus seiner Ausbildung noch alte Nikolaus-Blechformen aus den 1920er Jahren, die für ihn etwas ganz Besonderes sind. Dennoch ist er überzeugt, dass Nikoläuse aus so hochwertiger Schokolade, wie Clement sie verwendet, den Verbrauchern zu teuer wäre, und der Herstellungsaufwand mit den alten Traditionsformen nur von den wenigsten wertgeschätzt würde. Aber der Konditormeister bietet Alternativen an: Er und sein Team stellen glutenfreie Mandel-Elisenlebkuchen her und einen Baumkuchen, der mit feiner Trüffelcreme geschichtet ist. "Ich freue mich besonders, dass der Lebkuchen so gefragt ist, da merkt man, dass die Menschen die handwerkliche, traditionelle, nicht uniformierte Ware wieder mehr schätzen und wir uns von der Massenproduktion abheben", erklärt der Chocolatier. Er selbst gönnt sich in der Vorweihnachtszeit am liebsten eines der würzig, nussigen Oblatengebäcke und dazu einen Becher von seinem Rotwein-Früchte-Punsch, ein altes Rezept seines Vaters.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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