Kultur:Forscherin in Buchheims Zirkus

Rajka Knipper vom Buchheim-Museum

Rajka Knipper vor dem Kraken-BMW des Buchheim Museums.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Rajka Knipper, die neue stellvertretenden Direktorin des Bernrieder Museums, kümmert sich darum, die überbordende Sammlung des Hauses zu inventarisieren und zu erhalten

Von Katja Sebald, Bernried

Rajka Knipper blickt auf den See. Ihr Schreibtisch steht praktisch direkt am Ufer. Wo sich früher in einem abgedunkelten Raum die von Lothar-Günther Buchheim höchstpersönlich aus Sperrholz gesägten Pferdchen, Löwen und Elefanten des "Zirkus Buffi" drehten, ist ein großes und lichtes Büro für die neue stellvertretende Direktorin des Buchheim-Museums entstanden. Seit Anfang Oktober kümmert sich Rajka Knipper als wissenschaftliche Referentin um das Archiv, die Bibliothek und die Sammlung der Buchheim-Stiftung.

"Es ist eine Lebensaufgabe", sagt sie. Ihre Arbeit besteht darin, ein Konzept zu entwickeln, wie man die unterschiedlichen Bereiche der Sammlung und vor allem die Bestände, die erst nach dem Tod von Diethild Buchheim im Jahr 2014 in den Besitz der Stiftung übergegangen sind, sichern, inventarisieren, erschließen und für das Museum erhalten kann. Vorerst aber kommt Rajka Knipper aus dem Staunen nicht heraus. Da ist zum einen der See, der sie jeden Morgen mit einer anderen Stimmung überrascht. Und überhaupt die Natur: "Ich bin ein Stadtmensch", sagt sie, deshalb hat sie sich auch eine Wohnung in München gesucht und nicht auf dem Land. Jetzt aber genießt sie ihre Mittagspausen im Bernrieder Park. Vor allem aber staunt sie immer wieder aufs Neue über die überbordende Sammlung der Buchheims: "Wenn ich eine Schublade aufmache, weiß ich nie, was mich erwartet. Hier tauchen Künstler auf, mit denen ich gar nicht gerechnet hätte - eigentlich findet man bei Buchheim zu allen Themen etwas."

Die wichtigsten Objekte aus dem Feldafinger Privathaus von Lothar-Günther und Diethild Buchheim sind bereits ins Museum überführt worden: Legendär ist die Picasso-Zeichnung, um die sich die aktuelle Ausstellung rankt. Auch ganze Ensembles sind nun in Bernried zu sehen, etwa Buchheims Schreibplatz mit dem Camping-Klapptisch, an dem er Besucher zu empfangen pflegte. Noch längst nicht gesichtet ist jedoch die umfangreiche Korrespondenz oder die Bibliothek. Im Moment hat Rajka Knipper etwa zwanzig Jahrgänge der Zeitschrift "Die Jugend" in ihrem Büro ausgebreitet, allein das ist ein Konglomerat, um das sie viele Institutionen beneiden würden.

Der schier unüberschaubare Umfang der Aufgabe, die noch vor ihr liegt, erschreckt Knipper nicht: Im Gegenteil, die Möglichkeit, Gesamtzusammenhänge zu erforschen, stellt für sie einen großen Reiz dar. Die gebürtige Leipzigerin studierte zunächst in ihrer Heimatstadt Kunstgeschichte, Ägyptologie und klassische Archäologie. Zwischendurch verbrachte sie ein Jahr in Paris, um Vorlesungen zu hören, vor allem aber, um staunend durch Museen und Kathedralen zu laufen. Danach setzte sie ihr Studium in Köln fort und schloss es mit einer Arbeit über den englischen Fotografen Bill Brandt ab. Anschließend betreute sie fünfzehn Jahre lang in Köln für die Kulturstiftung der Sparkasse Köln Bonn die Photographische Sammlung, unter anderem das August-Sander-Archiv, dann war es Zeit für einen Wechsel. "Ich wollte noch einmal etwas ganz Neues anfangen", sagt sie. Ihr Interesse gilt auch den Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts und der klassischen Moderne. Besonders spannend findet sie es, dass es in Bernried nicht nur die bekannten Namen gibt, sondern auch außereuropäische Kunst und die sogenannte "Outsider Art" wie etwa die Figuren des Autodidakten Hans Schmitt.

Eine Wissenschaftlerin, die das Staunen nicht verlernt hat, dürfte ganz nach dem Geschmack des legendären Museumsgründers gewesen sein - auch wenn ihr Schreibtisch in seinem Zirkus steht.

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