Bernried:20-Finger-Orchester

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Anna Buchberger und Henriette Zahn spielen vierhändige Klavierwerke

Von Reinhard Palmer, Bernried

Um 1600 herum soll es die ersten explizit vierhändigen Klavierwerke gegeben haben. Aber erst Mozart machte diese Gattung salonfähig. Dass seine Sonate D-Dur KV 381 am Anfang des Konzerts im gut besuchten Barocksaal des Bernrieder Klosters stand, hatte also seine Berechtigung. Nachdem Anna Buchberger vor einigen Wochen ihr Klavierrezital wegen einer Handverletzung absagen musste, kam sie nun im Duo mit Henriette Zahn, um einige Perlen der vierhändigen Klavierliteratur mit satter Klangsubstanz zum Besten zu geben. Den fulminanten Zugriff zu wählen, ist für zwei Pianistinnen, die erstmals zusammen spielen, der beste Weg, weitgehende Homogenität zu erreichen. Tief berührende Momente sind in einem so frischen Duo selten möglich, auch keine überraschenden Details und Wendungen. Die Qualitäten lagen hier also in der geradezu orchestralen Kraft, Energie und Transparenz, ebenso in der sanglichen Kunst, die in der Sonate des 16-jährigen Mozart trotzdem nicht die pianistische Herkunft leugneten.

In beiden Konzerthälften waren im Zentrum Werke von Schubert platziert, und in beiden Fällen wurden sie kurzfristig jeweils ans Ende gesetzt. Zu Recht, denn die beiden Werke aus dem Todesjahr des noch so jungen Komponisten sind allzu mächtig in der Wirkung, als dass jeweils noch etwas hätte folgen können. Die lebensfreudigeren Töne gehörten zuvor zunächst Debussys "Petite Suite" mit ihrem schillernd-wohligen Kolorit. Der sanft wogende Barkarole des "En Bâteau", die spanisch angehauchte Festlichkeit des "Cortège", das historisierende "Menuet" in sehnsüchtiger Lyrik sowie die nahezu kindliche Euphorie des tänzelnden "Ballet" bestachen in der Ausführung mit spielfreudiger Differenzierung. Bei Dvořak fehlen dem gegenüber zwar die sphärischen Passagen, doch standen seine Werke der Suite Debussys in orchestraler Farbigkeit nicht nach - im kontrastierenden Auf und Ab der erzählerischen "Legende" op. 59 genauso wenig wie im Slawischen Tanz op. 72/2 mit seiner leidenschaftlichen Melancholie und bisweilen großer Heiterkeit.

Es blieb aber noch genügend Platz für Schuberts Leidenschaften. Der Titel "Lebensstürme" stammt zwar vom Verleger, doch trifft diese Deutung streckenweise schon zu. Zum Werk gehören aber auch die kraftlosen Rücknahmen und das aufwühlende Element. Das Sich-Aufbäumen und das schmerzliche Resignieren bestimmen auch Schuberts Phantasie f-Moll D 940, in einer so tragischen wie versöhnlichen Dramaturgie. Buchberger und Zahn spitzten das Kontrastprogramm mit heftigen emotionalen Ausbrüchen zu.

Das Wechselbad der Gefühle zwischen sehnsüchtiger Zartheit und monumentaler Schlusspassage riss das Publikum im Klostersaal zu Ovationen hin. Erik Saties Ragtime "Le Piccadilly" heiterte die Atmosphäre wieder spürbar auf.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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