Bernried:Der Holzflüsterer

Ausstellung mit Werken von Ernst Gamperl; Ausstellung Ernst Gamperl

Handschmeichler: Holzkunst von Ernst Gamperl.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der gelernte Schreiner Ernst Gamperl drechselt einzigartig schöne Gefäße

Von Katja Sebald, Bernried

Die Holzgefäße von Ernst Gamperl stehen zwar nicht auf einem "Wiesenpfad", sondern auf Inseln aus Flusskieseln. Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim wäre wohl trotzdem hocherfreut gewesen über diese Installation auf dem Promenadendeck. Er trennte ja nicht zwischen sogenannter "hoher" und "angewandter" Kunst. Buchheim wollte auf den "Wiesenpfaden der Kunst", die er im "Museum der Phantasie" angelegt hatte, den Betrachter nicht belehren, sondern verwirren und zum Staunen bringen.

Längst hat das Museum den ursprünglichen Namen abgestreift, längst ist es nicht mehr der von Buchheim angelegte, kurios-chaotische Kosmos. Es ist ein aufgeräumtes, offenes Ausstellungshaus geworden - und zur Öffnung gehört nun endlich auch die Aufhebung der Grenzen zwischen Architektur und Natur im Sinne des Planers. Und genau dort, wo das Grün des Parks fast bis ins Museum reicht und sich das Gebäude über den See hinausstreckt, "wachsen" nun auf grauen Kieseln und verwitterten Planken Gefäße von atemberaubender Schlichtheit und skulpturaler Schönheit. "Was das Holz sein möchte" hat Gamperl die Ausstellung überschrieben, die noch bis zum 13. September geöffnet ist.

Er ist gelernter Schreiner und Drechsler - und Global Player auf dem Kunstmarkt. Seine Schalen werden in Paris, New York und Tokio ausgestellt, die Neue Sammlung in München kaufte bereits in den Neunziger Jahren seine Arbeiten an. Es folgten der Bayerische Staatspreis und unzählige andere Würdigungen. Doch als Künstler würde sich der 1965 geborene Gamperl selbst nicht bezeichnen. Er fertigt auf der Drehbank kleine, dickwandige Schalen aus altem Olivenholz oder Eichenstämmen: schwere, halbkugelige Gefäße, die überall von feinen Trocknungsrissen durchbrochen werden. Die einen sind Handschmeichler, deren Außenseite rau und knorrig wirkt wie der Baum, aus dem sie stammen - die Innenflächen aber sind von so zarter Glattheit, als könnte man hier die Seele des Holzes streicheln. Andere kommen zwar auch bescheiden als Gefäße daher, treffen aber wie Skulpturen schlüssige Aussagen über den sie umgebenden Raum. Gamperl arbeitet bevorzugt mit nassem Holz. Aus Eiche fertigt er auch Gefäße mit hauchdünnen, beinahe transparenten Wänden, die sich dann während des Trocknungsprozesses zu spannungsgeladenen Gebilden verformen. Den Kern des Holzes, der wegen seiner Unberechenbarkeit im Handwerk nicht verwendet wird, bezieht er in die Gestaltung mit ein, wie auch Äste und Wuchsunregelmäßigkeiten. Reißt das Holz beim Trocknen, flickt er diese Wunden kunstvoll mit kleinen Schwalbenschwänzen.

Auch bei der Oberflächenbearbeitung verbindet er handwerkliches Können mit Gestaltungskraft. Durch zarte Linien, die er mit kleinem Stichel oder Hohlkehle auf dem rotierenden Gefäß anbringt oder Bürstenstriche erzeugt er subtile Texturen. Durch die Behandlung mit Holzasche, Quarzsand, Bleichmitteln oder Eisenoxiden entstehen feinste Farbabstufungen. Zeichnung, Maserung und natürliche Farbigkeit des Holzes werden so unterstrichen. Gamperl nähert sich seinem Werkstoff mit größtem Respekt, ja mit Demut: Es geht nicht um das, was er formen und erreichen will, sondern um "was das Holz sein möchte". Beim Anblick eines Baums, so sagt er jedenfalls, sieht er bereits die Gefäße, die in ihm wohnen.

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