Bernried:Ärger um den Bahnhof

Bernried Chococult Clement

Noch immer nicht barrierefrei ausgebaut ist der Bahnhof Bernried. Dafür bietet er eine Schoko-Manufaktur.

(Foto: Treybal)

Der barrierefreie Ausbau kommt nicht voran, weil sich Bahn und Eigentümer nicht einigen können

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Die Bernrieder sind sauer. Ihre Haltestelle ist die einzige an der Bahnstrecke München - Kochel, die nicht barrierefrei ist. Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Bernrieds Zweiter Bürgermeister Robert Schiebel (CSU) hat das Projekt zur Chefsache erklärt und hakt jede zweite Woche bei der Bahn nach, bislang jedoch mit mäßigem Erfolg. Im Gemeinderat machte er seinen Ärger Luft. "Das ist eine ungute Sache, wir werden richtig verschaukelt", sagte er.

Ursprünglich war der Umbau im Rahmen des Förderprogramms zum barrierefreien Ausbau für 2013 geplant. Wegen Unstimmigkeiten zwischen dem Bahnhofseigentümer und der Bahn musste jedoch ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Wie Schiebl berichtete, hatte die Bahn den Abschluss des Verfahrens bis zum Jahresende zugesagt. Doch daraus wird nun nichts. Der Grund ist, dass für den Ausbau eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes erforderlich ist. Die Behörde hatte schon am 25. März 2014 Bedenken angemeldet. Das sei aber der Bahn erst jetzt aufgefallen, wetterte Bürgermeister Josef Steigenberger.

Nun wird also erneut geprüft. Laut Auskunft der Bahn hatte es im Zuge der Anhörung mehrere Einwände und Bedenken gegeben, die nicht ausgeräumt werden konnten. Nun müssten noch ergänzende Untersuchungen vorgelegt werden, unter anderem auch vom Wasserwirtschaftsamt. Mit den Untersuchungsergebnissen der Fachbehörde könne jedoch nicht "vor Mitte 2016 gerechnet werden", schreibt das Eisenbahn-Bundesamt und weist darauf hin, dass die Gemeinde Bernried entsprechend in Kenntnis gesetzt worden sei.

Jetzt rumort es im Dorf gewaltig. Auf der Bahnlinie werden bereits die neuen Zugwaggons eingesetzt, die höher sind als die alten. Im Zuge des barrierefreien Ausbaus wurden überall die Bahnsteige entsprechend angehoben, nur in Bernried nicht. Die Bahnnutzer müssen dort einen halben Meter ohne Stufe überwinden. Das macht das Ein- und Aussteigen gefährlich. "Bei uns können nur junge Fitte mit dem Zug fahren", ärgert sich die Bernriederin Elfriede Irlbeck. Sie würde gerne die gute Zugverbindung nutzen, kann jedoch mit ihren 77 Jahren die 50 Zentimeter nicht "runterspringen". Zwar gebe für solche Fälle eine Einstiegshilfe, die müsse aber vom Zugführer eigens ausgefahren werden. Und das wird nach ihren Erfahrungen nur nach Voranmeldung gemacht. Ihres Wissens hat es schon drei Unfälle beim Ein- und Aussteigen gegeben.

Das Dorf mit seiner Klinik, dem Kloster und dem Buchheim Museum lebt vom Fremdenverkehr und hat die höchsten Übernachtungszahlen im Landkreis. Das Buchheim Museum in Bernried wirbt laut Irlbeck mit einem Erlebnispfad vom Bahnhof zum Museum. "Das erste Erlebnis hat man schon beim Aussteigen", ärgert sie sich. Viele Bernrieder, darunter auch Irlbeck, machen den Bahnhofseigentümer für den Ärger verantwortlich. "Wenn man einen Bahnhof direkt am Gleis kauft, muss man damit rechnen, dass es Veränderungen geben wird", sagt sie.

Der Besitzer hatte das heruntergekommene Bahnhofsgebäude 2010 aufwendig saniert. Herzstück ist eine bodentiefe Glaswand, die Zugreisenden einen Blick in die Schokoladenmanufaktur Clement im Erdgeschoss gewährt. Diese architektonische Wirkung wäre bei einer Anhebung des Bahnsteigs dahin und der Wertverlust der Immobilie enorm, argumentiert der Eigentümer, Jürgen Kindervater. Nach seinem Kompromissvorschlag sollte der Bahnsteig nach Süden verlegt werden. Dort sind die Gleise jedoch wegen einer Kurve geneigt und ein Umbau wäre laut Schiebel teuer. Kindervater kontert: "Auch mein Wertverlust ist teuer." Der ehemalige Telekom-Manager kündigt schon jetzt an, dass er notfalls in die nächste Instanz gehen werde. Der Gemeinderat war sich darin einig, dass nun alle politischen Möglichkeiten ausgeschöpft und die Bernrieder zu Protestaktionen mobilisiert werden sollen. Schiebel ruderte jedoch zurück. "Ich bin gegen Proteste, ich bin dafür, dass man sachlich weitermacht", sagte er zur SZ. Er hat sich jetzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gewandt und hofft auf Unterstützung.

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