Berg:Wegzehrung für Wallfahrer

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Stillleben mit Schokoladentafel unter Plastik: die erste Station des Kreuzweges in Leoni. (Foto: oh)

Der von Leoni nach Aufkirchen führende Himbselsche Kreuzweg hält eine Überraschung parat

Von Katja Sebald, Berg

Kaum ist der letzte Krapfen gegessen, muss der katholische Mensch Buße tun und vierzig Tage lang fasten. In der Fastenzeit hat auch das Wallfahren und das "Kreuzweg gehen" wieder Hochkonjunktur. In Leoni am Ostufer des Starnberger Sees etwa legten schon in früheren Jahrhunderten die Wallfahrer mit ihren Booten an, um dann weiter zu Fuß nach Aufkirchen hinauf zu pilgern - damals wie heute ist das wegen des steilen Wegs eine ganz besonders mühsame Wallfahrt.

Der königlich bayerische Baurat und Stadtbaumeister Johann Ulrich Himbsel hatte 1854 während der verheerenden Cholera-Epidemie seine Frau Ottilie und seinen jüngsten Sohn Konrad verloren. Aus Trauer darüber ließ er zwei Jahre später einen Kreuzweg von seinem Sommerhaus in Leoni zur Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Aufkirchen bauen. Er selbst schrieb dazu, "früherem Gelöbnis nachkommend" habe er zur "Förderung christlicher Andacht und Erhebung zu Gott" einen "Kreuzweg mit der Darstellung der Leiden Christi" erbaut.

Der überaus qualitätvoll ausgeführte Kreuzweg folgt dem uralten Pilgerweg. In Himbsels Haus gab es ein Bild, das die Überfahrt der Pilger in einer Plette zeigt. August von Lebschée hatte das "Morgenbild" mit der aufgehenden Sonne im Jahr 1850 als Supraporte gemalt. Ein Votivbild aus dem Jahr 1864, auf dem die Himbselschen Kreuzwegstationen und die Fronleichnamsprozession abgebildet sind, zeigt, dass sie bald Teil der Volksfrömmigkeit wurden. Sie sind es übrigens noch heute und werden stets liebevoll gepflegt.

Die Gläubigen unserer Zeit sollen in der Fastenzeit auf Dinge verzichten, die sie schmerzlich vermissen. Die Internetseite "katholisch.de" empfiehlt den Verzicht auf Schokolade, Alkohol oder das Autofahren. In früheren Zeiten waren es körperliche Entbehrungen und die oftmals drastischen bildlichen Darstellungen der Leiden Christi, die den frommen Wallfahrer an seine Sünden gemahnen sollten. Von Buddha hingegen ist zum Thema Buße folgendes Zitat überliefert: "Zwei Dinge sollst du meiden, o Wanderer: die zwecklosen Wünsche und die übertriebene Kasteiung des Leibes." Das Darbringen von Opfergaben hingegen gehört zu den buddhistischen Übungen. Auf einem buddhistischen Altar sollen immer Blumen, Kerzen, Schalen mit frischem Wasser und - ja - auch kostbare Speisen stehen.

Was es allerdings mit der Tafel Schokolade auf sich hat, die an der ersten Station des Himbsel'schen Kreuzwegs in einem Plastikgefäß neben Kerze und Blumen zu sehen ist, darüber lässt sich freilich nur spekulieren: War es ein vorausblickender Wallfahrer, der sich hier eine kleine Stärkung für eine Pause nach dem besonders steilen ersten Wegstück deponiert hat? War es ein Buddhist, der seinem Glauben gemäß "allen fühlenden Wesen nutzen" möchte und deshalb hungrige Wanderer vor "übertriebener Kasteiung des Leibes" bewahren will? Oder war sich da jemand nicht ganz sicher, zu welcher Glaubensrichtung die kostbaren Speisen als Opfergaben gehören? Immerhin gibt es ja in unseren Zeiten auch immer mehr Christen, die an Reinkarnation anstatt an das ewige Leben glauben.

Wer jedoch befürchtet, dass ihm - ob mit Schokolade oder ohne - nach dem steilen Aufstieg die Sinne schwinden und er des Zählens nicht mehr mächtig ist, der darf beruhigt sein: Der Aufkirchner Kreuzweg besteht tatsächlich nicht wie üblich aus 14, sondern eigentlich aus 16 Stationen. Eine zusätzliche Station im südwestlichen Teil des ehemaligen Parks wurde wohl vor den anderen zur Probe errichtet, sie zeigt die Auferstehung Jesu. Und unter der eigentlichen Station I, der Verurteilung durch Pilatus, ließ Himbsels Sohn Franz 1882 zur Erinnerung an seinen Vater eine zusätzliche Wegkapelle bauen. Hier ist im Giebel der heilige Jakobus als Patron der Pilger dargestellt, die Relieftafel zeigt die Ölbergstation.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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