Windräder:Wie eine Baustelle zum Ausflugsziel wird

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Die meisten Besucher der Baustelle wollen sich ansehen, wie die Türme wachsen. Pöbeleien gibt es nur wenige. (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Betonteil um Betonteil wachsen nahe dem Starnberger See Windkraftanlagen nach oben. Doch an den Wochenenden kann das Interesse von Technik-Fans und Familien zum Problem werden.

Von Sabine Bader, Berg /Wangen

Auf dem Lagerplatz mit den Windradbauteilen nahe Wangen herrscht schon voller Betrieb: Laster mit und ohne Ladung rangieren zwischen all den riesenhaften Klötzen sowie Robert Sing, Chef des gleichnamigen Ingenieurbüros, das den Anlagenbau koordiniert und leitet. Er erklärt gerade einer Besuchergruppe vom staatlichen Bauamt auf Karten das weitere Vorgehen. Sein Bauleiter Lukas Mas ist auch schon da. Mit ihm geht es wenig später hinaus in den Wald - zu den Baustellen.

Natürlich hätten man den Weg jetzt auch alleine gefunden. Denn den Schotterpisten im Forst sieht man an, dass auf ihnen momentan riesenhafte Laster unterwegs sind, die tonnenschwere Teile und Kräne transportieren. Wer allerdings die Natur ein bisschen kennt, der weiß auch, dass sie spätestens in zwei Jahren auch hier die Oberhand zurückgewinnen wird, zumal die Windradbauer dazu verpflichtet sind, die Forststraßen wieder weitgehend zurückzubauen. Auch wird annähernd die Hälfte der für die vier Windräder gerodeten Flächen wieder aufgeforstet.

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Jeder Betonturm wiegt 190 Tonnen

Die Standorte zwei und drei sind schon am weitesten gediehen. Die Betonringe stehen alle schon. 57 Einzelteile wurden zu 28 Segmenten zusammengesetzt, jeder Betonturm wiegt 190 Tonnen und misst momentan 105 Meter. Gerade ist die Baufirma damit beschäftigt, die Betonelemente fest miteinander zu verspannen. Das geschieht mit 32 stählernen Spannseilen, die auf der gesamten Länge in Leerrohre eingefädelt und im Keller der Fundamente gespannt werden. In die Leerrohre wird dann auch noch Beton geblasen. "Der ist ganz schön ätzend, da muss man aufpassen ", sagt ein Arbeiter und wischt sich die Betonreste vom Arm.

Jetzt fehlen bei beiden Anlagen nur noch je zwei stählerne Turmstücke mit Verbindungsteil. An ihnen wird die sogenannte Gondel mit dem Generator im Inneren und die Nabe befestigt. An ihr montieren Arbeiter in 149 Metern Höhe die drei Rotorblätter. Dann sind die Berger Windräder 206 Meter hoch. Für die finalen Arbeiten ist ein besonders großer Kran von Nöten. Die Firma Schmidbauer aus Gräfelfing hat solch ein Gerät. Es soll in der nächsten Woche aufgestellt werden. Mit Hilfe dieses Krans werden die Türme erst zu Windrädern. Die zweigeteilten Rotorblätter sind noch nicht da. Ihr Eintreffen soll möglichst so koordiniert werden, dass man sie nicht zwischenlagern muss, sondern gleich in die Höhe ziehen und montieren kann.

Öffentliche Führungen

Ärger mit Windrad-Gegnern, die sich auf den Baustellen blicken lassen und die rund um die Uhr vertretenen Sicherheitskräfte anpöbeln, gibt es eigentlich wenig. Die meisten Besucher auf der Lagerfläche oder den Baustellen sind interessierte Bürger, die sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß ansehen, wie die Türme wachsen. Bauleiter Mas wird dann gern mit Fragen bombardiert.

"Wie genau werden die Betonteile verschraubt?", will beispielsweise ein Radler aus München wissen. "Ja, und wie kommt die Montagebühne in die Betonringe?", fragt er weiter. Mas ist geduldig. Ruhig erklärt er den Windradbau - welches Teil mit welchem verschraubt und verzurrt wird. Und wie die Montage vonstatten geht. Erst zum Schluss verweist er den Radler noch auf die immer wieder angebotenen öffentlichen Führungen, die stets gut besucht sind. Rund 100 Interessierte waren es beispielsweise am vergangenen Freitag.

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Baustellensprache ist Englisch

Doch vor allem an den Wochenenden kann das Besucherinteresse auch zum Problem werden, wie der Teamleiter des Sicherheitsdienstes erklärt. Dann machen sich nämlich besonders viele Familien mit ihren Kindern zu den Windradbaustellen auf. "Da ist manchmal echt was geboten", sagt er. Und nicht selten sind die Leute auch unvorsichtig, heben ihren Nachwuchs beispielsweise auf eine abgestellte Planierraupe, um Fotos zu machen. Da heißt es für die Sicherheitsleute eingreifen. Vier bis sechs Mitarbeiter hat das Unternehmen rund um die Uhr beim Windradbau im Einsatz - also nicht wenige.

Baustellensprache ist übrigens Englisch. Das verstehen hier eigentlich alle - ob sie jetzt aus Deutschland und Dänemark kommen oder aus Polen und Portugal. Wo immer es möglich war, hat man darauf geachtet, möglichst nah gelegene Firmen zu beauftragen - wie etwa bei besagten Kran-Lieferungen aus Gräfelfing oder bei den Erdarbeiten mit einem Unternehmen aus Neuried.

Wie kommt der Strom ins Netz?

Auf den vier Baustellen arbeiten im Durchschnitt um die 30 Arbeiter täglich. Helm tragen ist Pflicht und die Sicherheitsweste auch. Bei den beiden außen liegenden Baustellen - sie tragen die Nummern eins und vier - beginnen die Türme jetzt ebenfalls erst zu wachsen. Noch haben sie die Baumwipfelhöhe nicht erreicht. Vom Lagerplatz aus bis zur entferntest liegenden Windradbaustelle sind es gut und gern fünf Kilometer. Und die Anlagen haben von einander einen Abstand von 500 bis 700 Meter.

Die spannenden Frage für die Besucher ist natürlich auch: Wie kommt der Strom ins Netz? Bauleiter Lukas Mas erklärt auch das: In der Gondel gibt es nämlich einen Generator, der durch den Wind angetrieben wird. Dann braucht es noch einen Gleichrichter zur Umwandlung der Spannung. Im Windradfuß steht ein Trafo, der den Strom von 400 Volt auf 20 Kilovolt transformiert. Über Energieableitungskabel, die man in den bestehenden Wegen verlegt, wird der Strom dann zu zwei Übergabestationen transportiert.

Die eine ist am Buchhof zwischen Percha und Wangen, die andere entsteht am Berger Brunnenhaus bei Haarkirchen. Dort wird der Strom ins Netz eingespeist. Einen großen Vorteil sieht Bauleiter Mas in den Berger Anlagen im Vergleich zu den Offshore-Windrädern im Norden: "Das Schöne ist, den Strom hier erzeugen zu können, wo er auch gebraucht wird."

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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