Berg:Sturm und Flucht

Berg, Marstall Ausstellung

Lucie Plaschka zeigt im Berger Marstall ihr "Mantel Objekt".

(Foto: Georgine Treybal)

Nur an diesem Wochenende zeigt der Berger Kulturverein Arbeiten zum Thema "Bewegte Zeiten"

Von Katja Sebald, Berg

Bewegte Zeiten stehen dem Kulturverein nach dem Rückzug des langjährigen Vorsitzenden Joachim Kaske bevor. Bewegte Zeiten versprechen auch die vielen neuen Mitglieder, die für eine deutliche Verjüngung des Vereins sorgen könnten. Und "Bewegte Zeiten" heißt auch die Mitgliederausstellung 2015, die am Wochenende im Berger Marstall zu sehen ist.

Bis zu drei Arbeiten durfte jedes Mitglied für die Jahresschau einreichen, eine Kommission entschied dann über die endgültige Auswahl. Bei 55 teilnehmenden Künstlern blieb jedoch meist nur Platz für ein Bild. Erfreulich sei in diesem Jahr die große Zahl jüngerer Teilnehmer, sagte Lucie Plaschka, Beisitzerin im Verein: "Wir haben zehn Neuzugänge, die wir entsprechend präsentieren wollen." So sind die Wände des ehrwürdigen Gebäudes dicht mit Bildern, Fotografien, Druckgrafiken und Collagen bedeckt. Die Mitte des Gewölbes ist Plastiken, Installationen, Videos und auch einer Performance - am Samstag um 18 Uhr - vorbehalten.

Das Thema bietet ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten. So wagte sich zum Beispiel Edwin Kunz mit der Kamera ans Ufer, während der Sturm Niklas Bäume umknickte wie Streichhölzer und im Starnberger See die Wassermassen peitschte, als kündige er die Apokalypse an. Das fast farblose Bild der Wasserfläche in diesen "bewegten Zeiten" hat jedoch eine ebenso meditative Wirkung, wie Kunz' frühere Bilder vom See an stillen Regentagen oder im Morgengrauen.

Kaum wahrnehmbar hingegen ist die Bewegung - die hier wohl für die Vergänglichkeit des Seins steht - im leise-poetischen Foto von Andreas Huber: Als Memento mori liegt auf einer dunklen Fläche eine Handvoll herabgefallener Blütenblätter, der welke und doch immer noch schöne Rest eines einst prächtigen Straußes. Ähnliches Thema, aber ganz unterschiedliche Herangehensweise bei Birgit Berends-Wöhrl: Wie in einer Puppenstube hat die Bildhauerin kleine Bronzen in einer umgedrehten Holzkiste arrangiert, Tisch, Bank, Schrank, ein altes Paar wie verloren in der zu groß gewordenen Wohnung. "Elternzeit" heißt die Installation, die anrührend melancholisch vom Alter, von der Einsamkeit und vom sich umkehrenden Eltern-Kind-Verhältnis erzählt. Ines Voelchert stellt die "Bewegten Zeiten" in einem gestisch abstrakten, leuchtenden Farbbild dar. Auch die Papierarbeit von Ruth Kohler ist abstrakt, aber tiefgründig und wie von innen strahlend. Politisch könnte man die geschundenen Körper in den kleinen, düsteren und surreal anmutenden Collagen von Christiana Biron interpretieren; auch die Radierung "Bedrohung" von Sabine Beck, die eine Gruppe ausgemergelter Menschen darstellt. Vielleicht sind auch die Frauen und Kinder auf der Flucht, die sich auf dem Foto "Zusammenhalten" von Elisabeth Zacharias mit ängstlich abwehrendem Blick aneinander drängen. Marlies Beth setzt auch in bewegten Zeiten ihr konzeptionelles Tagebuchprojekt fort, für das sie winzige Tuschezeichen einem zeitlichen Raster folgend Zeile für Zeile aneinanderreiht.

Und Lucie Plaschka schließlich versucht, die bewegten Zeiten mit einem riesigen Zaubermantel zu bannen: Zeitungen aus Krisen- und Kriegsgebieten bilden die Grundlage für eine vielschichtige Collage, die sie nachträglich mit Zeichnungen von Friedenstauben und Kerzen bedeckt. Den Erfolg ihrer friedensstiftenden Ummantelung stellt sie dann jedoch mit der gelackten, gleichsam glühenden roten Innenfläche bst wieder in Frage.

"Bewegte Zeiten" ist nur an diesem Samstag und Sonntag, jeweils von 11 bis 18 Uhr, zu sehen.

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