Berg:Leben mit dem Irrsinn

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Berg Syrien-Abend der QUH im Berger Marstall mit Clemens Verenkotte, Prof. Michaela Konrad und Christian Springer. (Foto: Fuchs)

Der Orienthelfer und Kabarettist Christian Springer, eine Archäologin und ein Nahost-Experte berichten in Berg über Syrien

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Berg

Gerade ist der Münchner Kabarettist Christian Springer aus dem Libanon zurückgekehrt. Am Sonntag wird er wieder nach Beirut fliegen, um syrische Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Dabei werden ihn zwei Feuerwehrleute aus Gauting begleiten. Wie Springer am Dienstag auf der Veranstaltung "Syrien - Wiege der Menschheit - Schlachtfeld der Großmächte" in Berg berichtete, konzentriert sich der IS (Islamischer Staat) nicht nur auf zivile Ziele und tötet dabei Frauen und Kinder, er bombardiert auch häufig Rettungswagen und Feuerwehrautos. Seither bringt Springer gebrauchte deutsche Feuerwehrautos in das Land. Und die Gautinger Feuerwehrleute sollen ihre Kollegen vor Ort in Gebrauch und Technik einweisen.

Vor drei Jahren hatte Springer den Verein "Orienthelfer" gegründet, zu einer Zeit, als noch "niemand etwas gemacht hat", wie er sagt. Mehr als 30 Mal war er schon in Syrien, um zu helfen, aber auch, um "ein bisschen Wissen mitzubringen". Nach Syrien selbst kann er nicht mehr reisen, das ist zu gefährlich, doch in den Libanon. Dort gibt es fünf Millionen Einwohner und eine Million Flüchtlinge. Springer und sein Verein haben im Libanon schon drei Schulen aufgebaut, sie versorgen Familien mit Milchpulver, damit ihre Kinder nicht verhungern: "Die Welt hat kein Geld mehr für Flüchtlinge drei Flugstunden entfernt."

Neben dem studierten Orientalisten und Kabarettisten Springer alias "Fonsi" hatte die QUH die Archäologin Professor Michaela Konrad sowie den Journalisten und Nahost-Experten beim Bayerischen Rundfunk, Clemens Verenkotte, eingeladen. Ziel war, Verständnis zu wecken für das kriegsgebeutelte Land und die Flüchtlinge, die den beschwerlichen Weg bis Deutschland auf sich genommen haben, um Frieden zu finden. Das Thema stieß auf starkes Interesse. Bürgermeister Ruppert Monn hatte eigens die Gemeinderatssitzung verlegt. Etwa 200 Besucher waren in den voll besetzten Marstall gekommen. Nach drei Stunden gespickt mit Informationen blieb jedoch leider keine Zeit mehr für eine Diskussion.

Zunächst gab Konrad, die Leiterin einer Ausgrabung in Syrien war, einen Überblick über 5000 Jahre Geschichte eines Landes, in dem der Vorläufer der alphabetischen Schrift entstanden ist und das als die Keimzelle des Christentums gilt. Nicht selten hätten Kirchen und Moscheen Wand an Wand gestanden, so Konrad. Der Moderator und Initiator des Abends, Philipp Pröttel, hatte während seines Archäologie-Studiums an Ausgrabungen in Syrien teilgenommen. Seinen etwa 30 Jahre alten Fotos von antiken Stätten wurden aktuellen Satellitenfotos gegenübergestellt, die das Ausmaß der Zerstörung zeigten, die laut Konrad durch die "ideologische Liquidierung" durch den IS und den Krieg entstanden ist. Nach Angaben von Clemens Verenkotte, der seit vier Jahren in Berg wohnt, gibt es im Nahen Osten keine einfachen Lösungen. Seiner Erfahrung nach will der IS die Erhöhung der Flüchtlingszahlen provozieren, um eine Spaltung Europas zu erreichen. Gleichzeitig profitiere er auch von einer erhöhten Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen.

Höhepunkt der Vorträge waren die Erfahrungsberichte von Christian Springer. Er ist fasziniert von den Menschen, die sich ihr Leben von Krieg und Terror nicht beeinträchtigen lassen und auf Attentate mit Galgenhumor reagieren. Es stehe ein strenger Winter bevor, berichtete er. Und es gebe so viele Flüchtlinge im Libanon, dass "wir es wahrscheinlich nicht schaffen, alle über den Winter zu bringen". Zumal Hilfstransporte entweder überfallen werden oder bei jedem Jack-Point ein Teil der Ware abgegeben werden müsse. "Wir haben Glück, wenn zehn Prozent ankommen."

Von 23 Millionen Syrern sind laut UNO-Angaben 13 Millionen auf der Flucht. Nach der Erfahrung Springers gehen davon aber nur sehr wenige nach Europa. Die meisten von ihnen hätten durchschnittlich vier Fluchtstationen im eigenen Land hinter sich.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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