Berg:Falscher Maßstab

Berg:  Leiter Asylhekfer Kreis Berg Iradj Teymurian

Iradj Teymurian fühlt sich in Berg längst heimisch. Vor 53 Jahren kam er aus Iran nach Deutschland. In seiner Wahlheimat am Ostufer hilft er jetzt Flüchtlinge zu integrieren.

(Foto: Nila Thiel)

Integration von Flüchtlingen in Berg dauert länger als gedacht

Von Sabine Bader, Berg

Iradj Teymurian ist ein tatkräftiger Mensch. Das muss er auch sein, als Koordinator der Asylhelferkreise in Berg. Und so hatte er klare Vorstellungen davon, wie lange es dauern wird, um Neuankömmlinge zu integrieren. Nach eineinhalb Jahren, so dachte Teymurian, müsste das Gröbste geschafft sein. Das heißt: Dolmetscher sind nicht mehr nötig. Die Asylbewerber führen ein Familienleben in einer eigenen Wohnung und gewöhnen sich am neuen Arbeitsplatz ein. "Diese Ziele musste ich inzwischen korrigieren", sagt er heute in seiner Bilanz. Dabei ist der gesteckte Zeitraum keineswegs aus der Luft gegriffen. Denn Teymurian weiß, wovon er spricht. Schließlich war auch er einst Migrant. Vor 53 Jahren kam Iradj Teymurian aus Iran nach Deutschland, studierte hier, heiratete, bekam zwei Kinder. Heute lebt der 71-Jährige mit seiner Frau in der seniorengerechten Wohnanlage in Berg.

Doch zurück zu den Berger Flüchtlingen und zu ihrer Integration: "Ich musste einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Spannbreite in der Vorbildung, Lernfähigkeit und auch Lernbereitschaft der Asylbewerber sehr groß ist", sagt der Koordinator. Bei den meisten von ihnen dauere es schon allein wesentlich länger, die Sprache zu erlernen. Auch treffe es nicht zu - wie teilweise behauptet werde -, dass mehr als 50 Prozent der Ankömmlinge Akademiker sind und mehr als 70 Prozent Abitur haben. Nach Teymurians Erfahrung sind in Berg nur etwa fünf Prozent, die eine Schulbildung von mehr als zehn Jahren vorweisen können. Viele müssten erst einmal das Lesen und Schreiben in ihrer Muttersprache erlernen; und viele der Kinder waren zuhause noch nie in einer Schule. "Das erschwert den Integrationsprozess natürlich erheblich," lautet sein Fazit.

Apropos lernen: Auch Teymurian und die anderen Berger Helfer haben von den Flüchtlingen gelernt. Zum Beispiel, dass sie den eigenen Maßstab nicht an andere anlegen dürfen. Das erspart Frustrationen, und zwar auf beiden Seiten. "Vielen der Flüchtlinge ist die bei uns weitgehend selbstverständliche Ausrichtung auf die berufliche Zukunft hin fremd", erläutert Teymurian. Sie lebten vielmehr im Hier und Jetzt. Was für ein Morgen nötig werden könnte, sei ihnen erst einmal nicht so wichtig. "Sie kennen Lebensplanung nicht, so Teymurians Fazit. Er vermutet darum, "dass das Erlernen dieser Fähigkeit etliche Jahre braucht".

Doch ist gibt auch für hiesiges Verständnis Erfreuliches zu berichtet aus Berg. So ist es zwölf Jugendlichen gelungen, mit Hilfe eines vom Helferkreis finanzierten Sprachkurses, die Aufnahmeprüfung an der Berufsschule zu schaffen. Ein Beispiel, das zeigt: Die Arbeit der Helferkreise lohnt sich, ehrenamtliche Helfer sind für die Integration das A und O.

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