Flüchtlinge:Ein Flugblatt für Toleranz

Flüchtlinge: Der Angst entgegentreten: Die Berger Pakistani verurteilen die Attentäter, die im Namen des IS gemordet, haben als "unmenschliche Mörder".

Der Angst entgegentreten: Die Berger Pakistani verurteilen die Attentäter, die im Namen des IS gemordet, haben als "unmenschliche Mörder".

(Foto: oh)

Die Flüchtlinge in der Gemeinde distanzieren sich vom Islamismus. Bei den Bürgern hat die Angst dennoch zugenommen

Von Christiane Bracht, Berg

Die Anschläge von Würzburg und Ansbach sowie der Amoklauf in München haben viele nicht nur erschüttert, sie lassen Flüchtlinge plötzlich in einem anderen Licht erscheinen. Die Asylbewerber bekommen die Angst der Leute, die um sie herum leben, seither deutlich zu spüren. "Das Verhältnis ist sehr abgekühlt", weiß der Leiter des Berger Helferkreises, Iradj Teymurian. Nach den Anschlägen hat er viele Anrufe bekommen. Wer vorher schon Bedenken hatte, sei jetzt erst recht gegen die Aufnahme der Asylbewerber und suche überall ein Haar in der Suppe. Oft ist dem Iraner die Frage gestellt worden: "Warum macht ihr weiter, obwohl diese Leute morden und uns umbringen?" Doch Teymurian und seine Helfer lassen sich nicht beirren. "Natürlich kann bei einer Kiste Äpfel ein fauler dabei sein. Aber nur weil ein Promille der Flüchtlinge vielleicht böse Absichten hat, kann man nicht alle in einen Topf werfen", sagt er. Dennoch, er kann die Angst der Leute gut verstehen. Die Attentate sind von Personen verübt worden, denen man es nicht angesehen habe, heißt es. "Wir beobachten jetzt stärker und greifen sofort ein", sagt Teymurian.

Eine Gruppe Pakistani, die in der Berger Zeltstadt untergekommen ist, will der Furcht der Leute nun aktiv entgegentreten und sich von dem Islamismus, wie er vom Islamischen Staat (IS) und seinen Anhängern propagiert wird, distanzieren - und zwar ganz offiziell. Sie haben ein Flugblatt entworfen, das sie an diesem Samstag von 9.30 Uhr an am Rewe-Parkplatz in Berg den Einheimischen geben wollen. Auf Urdu und Englisch versichern die Unterzeichner: "Wir sind für den Frieden. Wir fühlen den Schmerz und Verlust mit den Opfern und ihren Familien", schreiben die gut zehn Pakistani, die über ihre Smartphones von den Taten erfahren haben. "Wir möchten Ihnen, unseren Gastgebern, sagen, dass diese Menschen, die angeblich im Namen Allahs töten, weder den Islam noch eine andere Religion vertreten."

"Die Initiative kam von den Flüchtlingen", versichert Christa-Maria Weisweiler, die geholfen hat, die Aktion zu organisieren. "Sie können nicht mit den Leuten reden, weil ihr Deutsch dafür viel zu rudimentär ist", erklärt sie. Es lag dieser Gruppe aber am Herzen, ihre Position klarzustellen, deshalb haben sie das Flugblatt entworfen und ein Plakat. Die Worte kommen direkt von den Initiatoren und sind lediglich übersetzt worden. "Wir wollen nicht dirigieren oder in irgendeiner Form beeinflussen", sagt Teymurian. Deshalb habe man Afghanen und Flüchtlinge anderer Herkunft informiert, aber nicht aufgefordert mitzumachen. "Es geht darum, das gute Gefühl wiederzubekommen", erklärt der Leiter des Helferkreises. Nach den ersten Kontakten mit den Neuankömmlingen sei die Bevölkerung ihren Gästen liebenswürdig entgegen gekommen, doch seit den Anschlägen sei das verloren gegangen.

Bestimmte Lebensgewohnheiten regten die Einheimischen jetzt noch mehr auf, weiß Teymurian. Etwa die Sache mit dem Müll. In diesen Ländern sei es eben üblich, dass der Müll außerhalb des Hauses einfach weggeschmissen werde. "Das kann man nicht sofort ändern. Um den Leuten die Mülltrennung beizubringen, braucht man fünf bis sechs Jahre", erklärt der Leiter des Helferkreises. Streng ist er aber auch mit den religiösen Sitten der Gäste, wie die Flüchtlinge in Berg genannt werden. "Die meisten sind sehr gläubig", weiß Teymurian. Nach den Attentaten hätten sie ihn gefragt, was nun mit dem Opferfest ist? Dabei wird wohl traditionell ein Schaf oder eine Ziege geschlachtet. Er habe ihnen nur zu verstehen gegeben: "Das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Ihr seid jetzt mehr unter Beobachtung als sonst." Auch Änderungen im Stundenplan wegen des Ramadans könnten sie nicht erwarten. "Wenn ihr arbeitet, gibt es das auch nicht", sagte er. Wer sich über die Flüchtlinge und ihre Lebensgewohnheiten beschwert, bekommt von ihm zu hören: "Es braucht Zeit, bis sie das verinnerlicht haben", gibt Teymurian zu verstehen.

Das Flugblatt der Pakistani wird aber nicht nur am Samstag vor dem Berger Rewe verteilt, sondern auch in den Kästen der Kirchen ausgelegt. Man hofft, es so möglichst weit zu streuen.

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