Austausch:Totgesagte leben länger

Gautinger Partnerschaftsverein macht weiter, weil sich doch noch genügend Kandidaten melden

Von Blanche Mamer, Gauting

Es gibt sie doch noch, die unerwarteten Wendungen bei Vereinsversammlungen. Der "Deutsch-französisch-englische Verein" in Gauting wird nun doch nicht aufgelöst, da sich bei der Mitgliederversammlung in der Pizzeria Forestella sechs Kandidaten gemeldet haben: Bekannt war dem amtierenden Vorstand nur die Kandidatur von Ulrich Hettinger, der dem Aufruf bereits vor Monaten gefolgt war. Nun bewerben sich auch Realschullehrerin Adriana Scipio, Sabine Karmazin vom Kunstverein, die gebürtige Britin Bethan Ilett, Katharina Ebner und Pia Langer um Ämter. Der neue Vorstand soll nun in der außerordentlichen Versammlung am 11. April gewählt werden.

Diese Versammlung war eigentlich für die Vereinsauflösung vorgesehen, was für die Städtepartnerschaften mit dem südfranzösischen Clermont l'Hérault und dem südenglischen Patchway einen herben Rückschlag bedeutet hätte. Vizebürgermeister Jürgen Sklarek brachte das auf den Punkt. Gerade zu Zeiten von Brexit, Separierungstendenzen in EU-Ländern und Grenzen, die wieder zugehen, seien persönliche Kontakte und Freundschaften sehr wichtig. Leider habe der Partnerschaftsverein den Mittelbau verloren. "Die Schüler haben zwar Interesse am Austausch, die Eltern jedoch nicht. Ich hoffe, dass der Verein fortbesteht." Auch Wilhelm Rodrian, der Partnerschaftsbeauftragte im Rathaus, erklärte, gerade bei der Vorbereitung von Jubiläumstreffen brauche er die Unterstützung des Vereins.

Das Interesse der Kandidatinnen, die bisher nicht in Erscheinung getreten waren, kam so überraschend für die scheidende Vorsitzende Renate Dengler, dass sie ganz ungläubig reagierte und um ein Haar die Kandidaten verprellt hätte. "Wir brauchen vier Leute und mindestens zwei Beisitzer", betonte Dengler und meinte, es reiche nicht, mal kurz die Bereitschaft zur Mitarbeit zu bekunden, sondern es gehe um verbindliche Zusage. Mitarbeit hatte die Englischlehrerin Adriana Scipio signalisiert, die seit Jahren den Schüleraustausch und die Praktika in und mit Patchway für die Gautinger Realschule organisiert. Dann meldete sich die gebürtige Britin Bethan Ilett, die seit dreieinhalb Jahren mit ihrer Familie in Gauting lebt und sich unbedingt für den Austausch engagieren will. Allerdings sei sie noch nicht Mitglied im Verein. "Sie müssen wissen, dass wir eine Satzung haben und als eingetragener Verein eine Reihe von Aufgaben erfüllen müssen", sagte Dengler. So müssten vier Vorstandssitzungen im Jahr stattfinden, die Kasse müsse ordentlich geführt werden. Für Egon Starp klang das viel zu negativ: "Wollen wir einen neuen Vorstand oder nicht? Es klingt, als ob wir den Verein unbedingt auflösen wollten."

CSU-Gemeinderat Stephan Ebner wiederum sagte, seine Frau, die nicht kommen konnte, habe Interesse. Er selbst sei bereit, als Kassenprüfer anzutreten. Und Bernd Wiedemann, Vorstand des Kunstvereins, erklärte, er sei von Sabine Karmazin aus Königswiesen beauftragt, ihre Bereitschaft zu signalisieren. Schließlich meldete sich noch Pia Langer, die mit ihrer Familie in Gauting lebt. Sie sei mehrmals in Clermont gewesen, als Schülerin und mit den Handballern, und wolle dass es weitergehe. Denn es sei wichtig, den persönlichen Kontakt zu pflegen.

Dengler und ihre Kollegen hinterlassen einen sorgfältig geführten Verein mit einem Kassenstand von etwa 8600 Euro. Barbara Deisenhofer, die "ungewollte Initiatorin der Partnerschaft", die als 17-Jährige Anfang der 1970-er Jahre als Sprachenschülerin in die Familie von Marcel Vidal, dem damaligen Bürgermeister von Clermont l'Hérault, gekommen war, zeigte sich hoch erfreut, dass der Verein weitermacht. Sie war extra aus Krumbach angereist. Ihr Vater, Wirtschaftswissenschaftler Professor Hermann Groß, hatte 1972 ein Treffen zwischen Vidal und dem Gautinger Bürgermeister Josef Cischeck arrangiert. Daraus entwuchs die Städtepartnerschaft. "Die beiden mochten sich und blieben ihr Leben lang Freunde. Ich hoffe, dass es in ihrem Sinn weitergeht."

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