Ausstellung:Philosophie mit Pinsel und PC

Die Künstler Antonio Marra und Oliver Raszeweski inszenieren im Dießener Fritz-Winter-Atelier mittels höchst unterschiedlicher Techniken ein betörendes Farbenfest.

Von Katja Sebald

Wenn der echte Frühling in diesem Jahr auf sich warten lässt, dann eben jetzt drinnen an Wänden: Michael Gausling hat sich zwei Künstler zu einem betörenden Farbenfest im Fritz-Winter-Atelier eingeladen. Mit der Ausstellung "Ammersee" von Antonio Marra und Oliver Raszewski, die an diesem Sonntag eröffnet wird, knüpft der Galerist noch einmal an die erfolgreiche Op-Art-Schau an, die er vor zwei Jahren zeigte.

Antonio Marra war aber ohnehin schon mehrmals mit seinen ebenso ungewöhnlichen wie dekorativen Arbeiten zu Gast in Dießen. Der 1959 geborene Künstler stammt aus Neapel, lebt aber seit vielen Jahren in Offenbach. Er hat eine ganz eigene Technik entwickelt, um den Betrachter seiner objekthaften Bilder in die Irre zu führen: Je nachdem, ob man sich ihnen frontal oder von der oder anderen Seite nähert, sieht man völlig unterschiedliche Darstellungen. Beim Vorbeigehen aber gerät scheinbar das ganze Bild in Bewegung - und da der Künstler bevorzugt mit starken Farben und Kontrasten arbeitet, ist das Farberlebnis besonders eindrücklich. Um dieses Ergebnis zu erzielen, trägt Marra zunächst eine Paste auf die Leinwand auf, in die er mit einer Art Kamm eine gleichmäßige reliefartige Längsstruktur zieht. Nach dem Trocknen werden zwei verschiedene Bilder auf die Rillenoberfläche gemalt: das eine auf die linke Seite der Rillen, das andere auf die rechte. Es ist der Effekt, der zählt, nicht so sehr das Motiv. Zumeist ergeben sich geometrische Muster, manchmal aber auch vereinfachte Hügellandschaften. Bildtitel wie "Mit dem Pinsel philosophieren" geben einen Hinweis auf die langwierige, aber wohl auch meditative Arbeit des Malers. Der Titel "Sei nett zu den Nachbarn" für ein Triptychon, auf dem das zentrale Motiv wellenartig auf die seitlichen Bildtafeln hinüber "schwappt" sprechen aber durchaus für den Humor des Künstlers.

Ausstellung: Verblüffende Technik: Der Spiegel (li.) zeigt ein anderes Bild, wenn man es von der rechten Seite betrachtet.

Verblüffende Technik: Der Spiegel (li.) zeigt ein anderes Bild, wenn man es von der rechten Seite betrachtet.

(Foto: oh)

Die Dießener Ausstellung ist nicht die erste, die Marra mit Oliver Raszewski bestreitet, der ebenfalls lange in Offenbach lebte. Die Arbeiten der beiden Künstler ergänzen sich, ohne jedoch miteinander in Konkurrenz zu treten. Raszewski wurde 1962 in Berlin geboren. Nach einem Studium der Philosophie und Geschichte absolvierte er die Hochschule für Gestaltung in Offenbach, an der er später auch einen Lehrauftrag innehatte. Sei einigen Jahren lebt er wieder in Berlin.

Ausstellung: Ebenso ungewöhnliche wie dekorative Arbeiten sind von Sonntag an im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zu sehen. Antonio Marra (Foto) setzt auf bildhafte Objekte, die beim Wechsel der Perspektive in Bewegung zu geraten scheinen; Oliver Raszewski gilt als Pionier von sogenannter "digital art".

Ebenso ungewöhnliche wie dekorative Arbeiten sind von Sonntag an im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zu sehen. Antonio Marra (Foto) setzt auf bildhafte Objekte, die beim Wechsel der Perspektive in Bewegung zu geraten scheinen; Oliver Raszewski gilt als Pionier von sogenannter "digital art".

(Foto: oh)

Raszewski ist ein echter Pionier von sogenannter "digital art". Lange bevor Bildbearbeitungstechniken, digitale Bilderzeugung und massenhafte Verbreitung von Bildern zum Allgemeingut wurde, bewegte er sich im Grenzland zwischen virtueller und realer Welt, verwandelte, ursprünglich von der Malerei kommend, naturalistische Bilderzeugnisse in halbrealistische und schließlich zunehmend abstrahierte Darstellungen. Aber längst ist auch der umgekehrte Weg möglich, wenn er etwa eine für wissenschaftliche Zwecke entstandene systematische Übersicht zur globalen Vernetzung ins Riesenhafte aufbläst und zum flirrenden, extrem verpixelten und beinahe psychedelisch anmutenden Digitalgemälde mit dem Titel "Crazy Flowers" macht. Ausgangspunkt für seine Bilder, die er im großen Format auf Leinwand drucken lässt, sind meist digitale Fundstücke: So entdeckte er etwa im Anhang einer Junk-Mail eine abstrakte Streifenanordnung mit Störpunkten. Stark vergrößert und im extremen Querformat ist daraus die Arbeit "Neutrum" geworden, eine höchst harmonische Bildkomposition in Grautönen - wobei man ja eigentlich nicht von Komposition sprechen kann, ebenso wie eine Polarisierung von "gegenständlich" und "abstrakt" angesichts dieser Arbeiten kaum mehr sinnvoll erscheint. Nicht nur auf der Leinwand erscheinen diese aus "Realfotografie" oder digitalem Material erzeugten Bilder, sondern auch in Leuchtkästen und als Stelen aus Plexiglas, die ihre Farbe wechseln.

Die Ausstellung "Ammersee" ist bis 27. Mai in der Galerie im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zu sehen. Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie Sonntag von 11 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 08807/4559).

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