Ausstellung:Der Führer in Rosa

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Anna Kirsch hat nach Ansicht der Jury das Ausstellungsthema "Nachricht" mit ihrer Bilderserie "Rosarot" am besten umgesetzt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die neue Ausstellung des Kunstvereins Gauting steht unter dem Motto "Nachricht". Der erste Kunstpreis geht an Anna Kirsch aus Bad Feilnbach, die sich auf subtile Art mit rechtem Gedankengut beschäftigt hat

Von Katja Sebald, Gauting

Selbst wer sich überhaupt nicht für Kunst interessiert, der kann sich lange in der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins Gauting in den Gängen des Rathauses aufhalten: Den teilnehmenden Künstlern der offenen und jurierten Ausstellung zum Thema "Nachricht" war es zur Aufgabe gemacht worden, sich mit den eingereichten Arbeiten auf eine Nachrichtenmeldung aus Zeitung, Fernsehen und Internet zu beziehen. Gezeigt wird nun nicht nur eine breit gefächerte Kunstschau, sondern auch eine höchst interessante Nachlese mit Artikeln aus dem zurückliegenden Jahr. Eine Besonderheit dieser Ausstellung ist aber auch der erstmals verliehene Gautinger Kunstpreis, der an die Künstlerin Anna Kirsch aus Bad Feilnbach geht.

Von wegen Künstler sind weltfremd: Bilder vom Krieg in Syrien, von flüchtenden Menschen und von Terroranschlägen dominieren nicht nur die Medien, sondern auch die Ausstellung. Stefan Fichert zeigt ein sehr eindrückliches Gemälde von jenem geheimnisvollen "Mann mit Hut", der zum Zeitpunkt der Terroranschläge von den Überwachungskameras auf dem Brüsseler Flughafen gefilmt wurde. Erst auf den zweiten Blick offenbart dieses sanftfarbige und zunächst beinahe poetisch anmutende Bild seine martialischen Details.

Plakativ zwar, aber deswegen nicht minder eindringlich ist die Installation "Rosen für Kobane" des Künstlerduos Rosina Zimmermann und Benelisa Franco: Sie haben im Rathaus-Foyer eine Figurine aufgestellt, die über einem zerfetzten roten Abendkleid eine Kampfweste trägt, in der Westentasche verwelkt am Vernissagenabend eine weiße Rose. "Wer uns töten will, den töten wir vorher", so die Überschrift eines Artikels über kämpfende Frauen in der Zeitschrift Brigitte, auf den sich die mehrteilige Installation bezieht. Als beste Arbeit aber hat eine sechsköpfige Jury eine Bildserie ausgezeichnet, die man zwischen den vielen marktschreierischen Schlagzeilen und oftmals lauten Bildern auch übersehen könnte. Anna Kirsch hat drei alte Schwarz-Weiß-Fotos vom Flohmarkt auf sehr subtile Art bearbeitet: Einem explodierenden Kriegsschiff, wohl aus dem Zweiten Weltkrieg, setzt sie mit rosaroter Farbe ein winziges Flüchtlingsschiff entgegen. In einem Foto von einem geselligen Beisammensein hat sie lediglich das an der Wand hängende Führerbild und den Sekt in den Gläsern rosa markiert. Für die winzigen Judensterne, die sie auf den Lampenschirm gezeichnet hat, braucht man schon fast eine Lupe. In einer Interieuraufnahme von einem Büro hat sie außerdem rosafarbene Hakenkreuze auf die Scheiben gemalt. Diese Interventionen erscheinen zunächst marginal, ja, durch das Babyrosa geradezu harmlos. Und doch sind sie messerscharfe Kommentare zu einer deutschen Normalität, in der Krieg und Mord neben Sekt und Behaglichkeit existieren durften. Brandaktuell beziehen sie sich auf einen Artikel über rechtes Gedankengut, das auch in unserer Zeit wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Künstlerin erhält dafür den mit 200 Euro dotierten "1. Gautinger Kunstpreis" - eine höchst erfreuliche Entscheidung, die nicht nur die Preisträgerin, sondern auch den Kunstverein ehrt.

Hinzuzufügen bleibt noch, dass es in dieser Ausstellung nicht nur politische Bild- und Textlektüre gibt: Geradezu bezaubernd sind beispielsweise die Bilder, die Bettina Tratzmüller von jungen, auf ihre Smartphones starrenden Menschen in einer ansonsten leeren Welt gemalt hat. Der Text dazu warnt vor den Anzeichen der Sucht und gibt Tipps zu Prävention.

Nachricht. Zu sehen bis 31. Oktober im Rathaus und in der Galerie am Hauptplatz.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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