Artenschutz:Neues Nest für Störche gesucht

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Um die obdachlose Störchin von Dießen geht es auch an diesem Mittwoch im BR-Fernsehen in der "Abendschau" um 17.30 Uhr. (Foto: Franz Sanktjohanser/oh)

Vor einem Jahr hat ein Paar erstmals Jungvögel in Dießens Ortsmitte großgezogen. Dann musste die alte Brutstätte wegen Sanierungsarbeiten beseitigt werden. Vogelfreunde versuchen, einen neuen Standorte zu finden.

Von Armin Greune, Dießen

Viele Jahrzehnte lang haben in der Marktgemeinde keine Weißstörche mehr gebrütet - obwohl das nur vier Kilometer entfernte Raisting seit 2006 eine der größten bayerischen Storchenkolonien beherbergt. Im vergangenen Jahr aber hatte sich ein Paar ausgerechnet an der verkehrsreichsten Kreuzung Dießens niedergelassen, um dort drei Jungvögel aufzuziehen. Doch inzwischen gibt es den Horst nicht mehr: Mit einer Ausnahmegenehmigung der Oberen Naturschutzbehörde wurde er auf dem Hausdach gegenüber dem Rathaus vorübergehend beseitigt.

Die beiden Vögel tauchten vor Kurzem wieder auf und standen ratlos zwei Tage und zwei Nächte neben ihrer vormaligen Brutstätte auf dem Dach, erzählt Franz Sanktjohanser. Er konnte das Weibchen fotografieren und zweifelsfrei identifizieren, denn es ist 2014 in der Schweiz beringt worden. Ob es sich auch um dasselbe Männchen wie im Vorjahr handelt, ist unklar, denn es trägt keinen Ring. Der ehemalige Gemeinderat will den Störchen Alternativquartiere anbieten. Bereits 2012 hatte er in der Fischerei eine Nisthilfe im eigenen Garten errichtet. 2017 bezog das Dießener Paar dort für drei Wochen Quartier, bis es zur Ortsmitte weiterzog. Demnächst wird Sanktjohanser dort wieder eine zwölf Meter lange Stange mit Stahlkorb für einen Horst aufstellen, obwohl er dafür eine Baugenehmigung beantragen muss. Außerdem steht bereits die von ihm konstruierte, alte Nisthilfe seit 2017 auf einem Dach in Gut Romenthal. Am Montag hat Sanktjohanser in Begleitung eines Filmteams des Bayrischen Rundfunks vier weitere potenzielle Brutstätten im Ort ausgeguckt.

Denn obwohl der Mast in seinem Garten nahe dem Vogelschutzgebiet Ammersee Süd liegt, sind dort die Bedingungen für die Aufzucht von Jungstörchen nicht optimal, findet Wolfgang Bechtel vom Landesbund für Vogelschutz, der seit vielen Jahren die Population beobachtet: Weißstörche bevorzugten zur Futtersuche Wiesen, die regelmäßig gemäht werden. Denn auf naturbelassenen Flächen wachse die Vegetation bald so hoch, dass die Vögel sie aus Vorsicht vor Fressfeinden meiden. Das Brutpaar vom Vorjahr habe meist in Wirtschaftswiesen südlich von Dießen gejagt. Mit großem Erfolg: Es gelang, drei gesunde Junge aufzupäppeln, die sich im Herbst auf den Zug ins Winterquartier begaben.

Elternpaare legten diese Reisen stets getrennt zurück: "Störche führen Saisonehen und sind mehr an ihre Horste gebunden als an die Partner", sagt Bechtel. Um so bedauerlicher sei es, dass die ohne menschliche Hilfe errichtete Niststätte im Ortszentrum beseitigt wurde. Eigentlich sind Weißstörche besonders streng geschützt: Wer ihre "regelmäßig wieder genutzten Fortpflanzungsstätten" ohne Genehmigung entfernt, begeht laut Bundesnaturschutzgesetz eine Straftat, die mit Gefängnis geahndet werden kann. Für den Dießener Horst aber hat die Höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern im Oktober eine bis 28. Februar befristete Ausnahmegenehmigung erteilt. Ein Behördensprecher begründet sie damit, dass der Kamin unter dem Horst einsturzgefährdet sei und saniert werden müsse.

Die Störche in Dießen sind nicht die ersten, die sich heuer am Ammersee eingefunden haben. In Raisting sind sechs gar nicht erst in den Süden aufgebrochen, berichtet Bechtel. Je ein Paar überwintert auf seinem Horst im Gewerbegebiet und in der Ortsmitte, zudem erwiesen sich zwei Einzeltiere als Reisemuffel. Eine mit Sender ausgestattete Störchin namens Sara, die sich im Sommer öfter südlich von Raisting aufhielt, ging nur auf eine Kurzreise: "Nachdem sie im Winter 2016/2017 über den Hohen Atlas in Afrika flog, blieb sie heuer südlich von Zürich", sagt Bechtel. Um die bislang 17 Horste am Ammersee entbrennen regelmäßig heftige Konkurrenzkämpfe, bei der Quartiersuche sind zugfaule Störche im Vorteil: nicht nur, weil sie Nester den Winter über besetzt halten, sondern auch, weil sie keine kräftezehrende Fernreise hinter sich haben. Bechtel rechnet damit, dass die Auseinandersetzungen zwischen den sesshaften und den "Stör-Störchen" demnächst wieder aufflammen. 2017 waren fast alle Nester bereits Ende Februar vergeben. Für die Ammerseekolonie war es ein Rekordjahr: 20 Jungvögel wuchsen auf.

© SZ vom 14.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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