Architektur in Gauting:Spannung durch Kontraste

Gauting: Kino Breitwand Neueröffnung

Nicolai Baehr kann wieder lachen - beim Bau musste er mit Altlasten im Boden und der Vibrationsdämmung des Hauses kämpfen.

(Foto: Nila Thiel)

Kinoplaner Nicolai Baehr sieht einige Gemeinsamkeiten von Architektur und Film. Jetzt fehlt im neuen barrierefreien Gautinger Lichtspielhaus nur noch die Festivaltreppe

Von Nicolai Baehr

Das Arthouse-Center trägt seine Handschrift: Der Starnberger Architekt Nicolai Baehr hat für und mit Matthias Helwig das neue Gautinger Kino entworfen und den Baufortschritt begleitet. Für die SZ schildert Baehr die Ideen und Überlegungen bei der Gestaltung und welche Vorstellungen er auf dem Vorplatz umsetzen will.

Vor knapp drei Jahren kam Matthias Helwig mit dem Wunsch auf mich zu, sein neues Kino in Gauting zu entwerfen. Wir kannten uns damals bereits mehr als zwölf Jahre, denn im Architekturbüro meiner Eltern war schon das Kino in Starnberg geplant worden. Zu der Zeit kehrte ich gerade aus Paris zurück, wo ich drei Jahre im Büro von Jean Nouvel gearbeitet hatte. Nun stellte sich die Aufgabe nicht irgendwo fünf "black boxes" zu platzieren, sondern mitten im Herzen von Gauting direkt am Bahnhof. Ich war mir der städtebaulichen Verantwortung bewusst, dass eine geschlossene Kinofassade das Ortsbild erschlagen würde und wollte versuchen möglichst viel Öffnung zum Bahnhofsplatz zu schaffen. Was aber nicht heißen sollte, eine reine Glasfassade zu errichten.

Das Gebäude war Rücken an Rücken mit dem Nachbarhaus zu planen. Daher waren wir im Dialog mit dem Architektenkollegen Wolf-Eckart Lüps und wollten ein verbindendes Element zwischen den Baukörpern sichtbar machen. Es galt, den Höhensprung zwischen Bahndamm und Unterführung innerhalb des Grundstücks zu integrieren. Die Umsetzung des Nachbarbaus wurde später allerdings von Herrn Lüps nicht mehr weiter begleitet.

Für das Kino kam mir die Idee eines "Filmbands" mit Fenstern entlang der Fassade, das von den oberen Sälen, diagonal über das Foyer zu den unteren Sälen und anschließend auf eine gemeinsame Ebene zu den Geschäften im Nachbargebäude überleitet. Ursprünglich waren dort Grafiken angedacht, aus der Zeit als die Bilder laufen lernten, heute spielen dort die Kinobesucher selbst die tragende Rolle und halten den gläsernen Streifen "am Laufen".

Von Anfang an hatte ich Helwig bei seinen Filmfesten mit Vorträgen zu Architekturfilmen unterstützt. Was Filmkunst und Architektur gemeinsam haben, sind die Visionen, die auf einem leeren Blatt Papier beginnen und später auf der Leinwand oder im öffentlichen Raum sichtbar werden. Beide Sparten leben von der Spannung und dem Kontrast, nur dies lässt sie nicht langweilig erscheinen. Egal, ob im Film, im urbanen Raum oder in einem Gebäude - stets sind es die Gegensätze, die uns anziehen. Deshalb empfinden wir es so reizvoll, durch ein italienisches Städtchen mit seinen engen Gassen zu schlendern, wenn sich plötzlich unerwartet der Platz vor einer Basilika oder einer Freitreppe öffnet.

Ähnlich ist es beim Betreten des Haupteingangs, von dem man gleich zwei großzügige Räume erblickt, die Gastronomie zur Linken und das Kinofoyer zur Rechten. Begibt man sich ins Treppenhaus, meint man die gesamte Größe des Gebäudes über seine drei Etagen schon mit einem Blick erfasst zu haben. Aber der Schein trügt, denn man sieht nur die Spitze des Eisbergs. Man muss schon hinabsteigen und neben dem Fahrstuhl eine Art enge "Filmgasse" passieren, um dann das unvermutete Volumen des größten und modernsten Kinosaals im Landkreis Starnberg zu entdecken. Umgekehrt funktioniert dieser Effekt genauso, wenn man nach der Vorstellung wieder den großen Treppenraum betritt, der mit seinem Blick ins Freie dazu einlädt, auch noch die anderen Säle zu besuchen.

Ursprünglich ist im Außenbereich von der Gemeinde eine Amphitheatertreppe genehmigt worden, die mit ihren Sitzstufen für Filmfestatmosphäre im Sommer gesorgt hätte. Bisher konnte aber der Wunsch der Kommune, den Kinovorplatz, der auf Gemeindegrund liegt, mit der Ebene des Bahnhofs zu verbinden noch nicht wie geplant umgesetzt werden. Die gesamte Neugestaltung des Bahnhofsplatzes ist vom Gemeinderat noch nicht entschieden. So konnte das Gelände vorerst nur mit Gabionen und einem Steingarten barrierefrei angeschlossen werden, wo in Zukunft einmal auf einer Festivaltreppe die Stars über den blauen Fünfseen-Filmfestival-Teppich von der Straße direkt zum Filmtheatereingang schreiten könnten. Es liegt nun in der Hand der Gautinger, dass diese Freitreppe umgesetzt wird, genauso wie es jetzt an uns allen ist, diesen neuen Treffpunkt inmitten der Würmtalgemeinde zum Leben zu erwecken.

An diesem Samstag lädt das Kino von 10 bis 15 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Es werden kostenlos ausgewählte Filme gezeigt, auch das Restaurant "Abacus" bietet Kostproben an.

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