Anspruchsvoll:Lügen, Intrigen und fanatische Verblendung

Starnberg: Tragaudion Hexenjagd

Vom Dämon besessen oder nur von Ängsten getrieben? Die verhärmte Ann Putmann (vorn), gespielt von Patricia Cerny, und Betty Paris (Smaranda Dancu) bringen gemeinsam mit ihren Tragaudion-Kollegen ein ebenso schwieriges wie personalintensives Theaterstück auf die Bühne der Schlossberghalle.

(Foto: Nila Thiel)

Die Starnberger Theatergruppe Tragaudion präsentiert in ihrem Jubiläumsjahr mit "Hexenjagd" von Arthur Miller einen Klassiker, der im 17. Jahrhundert spielt. Das Stück gilt als Kritik an der Kommunistenhatz in den USA, hat aber bis heute sozialkritische Relevanz

Von Ute Pröttel, Starnberg

Zum Schluss sind es die Aufrichtigen und moralisch Integren, die zum Tode verurteilt werden. Aber nicht aufgrund von handfesten Beweisen, sondern aufgrund von Anschuldigungen, die frei erfunden sind. Lügen, die immer weitere Lügen nach sich ziehen und - gepaart mit fanatischer Verblendung - zur Verurteilung Unschuldiger führen. Die Verursacherinnen dieses Unheils dagegen gehen straffrei aus. Arthur Millers Theaterstück "Hexenjagd" basiert auf einem der letzten großen Hexenprozesse. Es spielt im Amerika des ausgehenden 17. Jahrhunderts und dort hat es Tragaudion-Regisseur Christian Hanselmann auch belassen. Als Miller sein Stück 1952 veröffentlichte, verstand er es als kritischen Kommentar zur Jagd auf die Kommunisten in den USA. Doch auch heute noch hat das Stück eine durchaus politische Dimension. Das Phänomen der Verunglimpfung, heute eher "shit storm" genannt, funktioniert noch genauso wie vor 300 Jahren.

Die Starnberger Theatergruppe Tragaudion hat sich noch nie vor schwerem Stoff gefürchtet. Sie haben es aufgenommen mit Tankred Dorst, Eugene Ionesco, Georg Büchner. Und im 25. Jahr ihres Bestehens bringen sie zu ihrem Jubiläum mit dem modernen Klassiker von Pulitzer-Preisträger Arthur Miller ein besonders anspruchsvolles und aufwendiges Stück auf die Bühne. "Wir sind eine Bande von Verrückten", sagt Jan Björn Potthast. In Hexenjagd spielt er die Rolle des Reverend Parris. Er steht dem Verein Tragaudion als Präsident vor, 1994 stieß er dazu. "Man muss für das Theater brennen, um sich das alles anzutun", sagt Potthast. Rund 150 Personen waren in den letzten 25 Jahren an den verschiedenen Produktionen beteiligt. Darunter sind auch Profis, doch auch sie treten ohne Gage auf. "Wir machen das alle nebenbei. Aber wir haben den Anspruch es immer so gut wie möglich zu machen und gehen nur ganz wenige Kompromisse ein", sagt Potthast. "Der Schlüssel zum guten Amateurtheater ist, die Leute je nach Typ richtig zu besetzen. Und das bekommen wir meisten sehr gut hin."

Im Jubiläumsjahr testet die Starnberger Theatergruppe ihre Kräfte. Mit zwei großen Produktionen stößt sie an den Rand dessen was Amateurtheater leisten kann. Insgesamt sieben "Hexenjagd"-Aufführungen stehen im März auf dem Programm: Dreimal stehen die Schauspieler noch in der Starnberger Schlossberghalle auf der Bühne, zwei Auftritte folgen im Münchner Theater Einstein Kultur. Parallel dazu laufen bereits Proben zum fünften "Shakespeare Sommer" im Starnberger Schlossgarten. Auf dem Programm steht - nach einer Umfrage unter den letztjährigen Besuchern - "Hamlet" - ein ebenso schwieriges und personalintensives Stück wie die Hexenjagd, bei der 18 Schauspieler auf der Bühne stehen. "Das bringt uns an den Rand unserer Kräfte", meint Potthast, wirkt dabei aber ganz vergnügt: "Eine Bande von Verrückten eben." Sie wollen es sich selber beweisen und ihrem Publikum zum Jubiläum etwas Besonderes bieten.

Mit Hexenjagd ist das eindrucksvoll gelungen, das Stück lebt vom starken Spiel der Schauspieler. Allen voran Amara Palacios als Abigail Williams und Melanie Scheytt (Mary Warren) sowie Tobias Malangré in der Rolle des John Proctor. Aber auch Patricia Cerny liefert als verhärmte Ana Putnam ebenso einen überzeugenden Auftritt wie Ali Akbaba alias Pastor Hale als Spezialist zur Bekämpfung dämonischer Künste. Die schwarze Bühne kommt mit minimaler Ausstattung aus: Vor der Bühne ragen zwei lange Podeste in den Raum, darauf vier Stühle. Mit wenigen Mitteln ist so der Gerichtssaal gestaltet, in dem die wichtigsten Szenen spielen. Den historischen Rahmen erwecken die speziell für diese Produktion entworfenen Kostüme von Brigitte Günczler. Sie entsprechen vielleicht nicht hundertprozentig der Zeit, ergeben aber in sich ein geschlossenes Bild.

Regisseur Christian Hanselmann gehört seit 1997 zum harten Kern von Tragaudion. Er inszenierte bisher drei Stücke und stand auch als Schauspieler auf der Bühne. Am meisten abverlangt hat ihm im Rückblick jedoch die Inszenierung von "Einer flog übers Kuckucksnest" (2015). Nach der Indoor-Inszenierung von Hexenjagd freut er sich nun auf das Openair Theater im Schlossgarten: "Das hat beinahe ein wenig Festivalcharakter," schwärmt er, auch wenn vor und nach jedem Auftritt alle Requisiten hin- und wieder weggeräumt werden müssen. Potthast rollt bei dem Gedanken daran mit den Augen. Schon mal ans Aufhören gedacht? "Nein dafür sind alle viel zu besessen".

Hexenjagd von Arthur Miller; Vorstellungen am 19., 20. und 21. März in der Schlossberghalle Starnberg. Beginn: 20 Uhr, Eintritt: 15 Euro

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