Galerie statt Drogeriemarkt:Raum für die Phantasie

Ausstellung im Kunstraum Kramer

Gastgeberin Birgit Kramer mit ihren Künstlerkollegen Leopold Schlögel (links) und Joan Louis (rechts) inmitten der von ihnen gestalteten Werke.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Birgit Kramer hat einen leer stehenden Drogeriemarkt in ein Atelier mit Galerie verwandelt. Die erste Ausstellung teilt sie sich mit dem Maler Joan Louis und dem Bildhauer Leopold Schlögel

Von Patrizia Steipe, Andechs

"Hässlich" ist wohl der richtige Ausdruck, mit dem die leer stehenden Räume des ehemaligen Schlecker-Markts in der Herrschinger Straße beschrieben werden konnten. Zwei Jahre lang stand er leer. Dann kam Birgit Kramer. Die Künstlerin, die sich auch in ihrem Werk mit dem Thema "Räume" beschäftigt, hat hinter die Fassade geschaut und das Potenzial erkannt. Nach der Renovierung hat sie den "Andechser Kunstraum Kramer" eröffnet.

Parkettboden, hohe weiß gestrichene Räume und eine neue Raumaufteilung haben das Geschäft in ein multifunktionales Atelier verwandelt, in dem auch Malkurse und Ausstellungen stattfinden. Die erste hat das Motto "Malerei und Skulptur": Künstler sind neben Kramer Leonhard Schlögel und Joan Louis. "Terra Female" hat die Diplom-Malerin mit Ei-Tempera-Farben gemalt. Das große sechsteilige Gemälde ist ein zentrales Werk. Im Vordergrund steht ein in Dunkelrot gemalter Erdhügel. Bei Erde denkt man an Festes, Bodenständiges - doch bei Kramer geben die runden, überbordenden Formen dem Haufen keinen Halt. Das Ganze scheint kurz vor dem Umkippen zu stehen. Als Kontrast zur instabilen Masse stehen die geometrischen Formen in kühlem Blau, die an Fenster erinnern und Tiefe verleihen.

Das Sujet hat Kramer in ihren Papiercollagen aufgegriffen. "Weibliche Räume" heißt eine Serie, aus der ein Bild hervorsticht: Es zeigt eine erdfarbene Wüstenlandschaft, auf der die Silhouette einer Frau zu erkennen ist. In den Körper hat Kramer ein Foto eingefügt: Schlammverkrustete Leiber winden sich auf einem Open-Air-Festival, eine heitere zügellose Menge. Stellen sie die unterdrückten Sehnsüchte dar, die im Unterbewussten schlummern?

Mit Sehnsüchten arbeitet auch Joan Louis. "Ich bin ein romantischer Künstler", erklärt der Peruaner. Deswegen hätten seine Bilder immer auch etwas mit seinem Leben zu tun. Auf den ersten Blick strahlen sie die unbeschwerte bunte Heiterkeit aus, wie man sie oft bei südamerikanischen Künstlern sieht. Farbenfrohe Blätter und Blüten ranken sich in Spachteltechnik durchs Bild; Schmetterlinge, Libellen und Vögel tummeln sich darauf. Die grobe Technik erinnert ein wenig an Drucke. Bei genauem Betrachten erkennt man Details wie etwa Miniaturhäuschen auf den Blättern. Sie symbolisieren Heimat: eine stabile Konstante, aus der heraus sich erst die Freiheit der Phantasie entwickeln kann.

Dritter im Bunde ist der Bildhauer Schlögel. Schon vor dem Atelier trifft der Besucher auf eine der langen Stelen, die aus drei Teilen bestehen: Einem relativ unbearbeiteten steinernen Sockelklotz, einem weißen Marmorspross und einem geometrisch inspirierten Abschluss. Die Spitzen verleihen den Skulpturen Struktur: Mal ist es ein goldenes Ei, mal eine Pyramide oder kleine Treppenstufen. Stufen sind auch ein Element von "Tassilos Traum": Hier hat sich der Wessobrunner Schlögel von der Tassilo-Legende inspirieren lassen.

Passend zur baldigen Sommersonnenwende hat Schlögel seine "funktionalen" Plastiken aufgestellt. Durch die kleinen Löcher am Kopf der Marmorstatuen "Horus" und "Phönix" werden die Sonnenstrahlen des Mittsommers fallen.

Die Ausstellung im Kunstraum Kramer, Herrschinger Straße 13, findet bis 21. Juni statt, sie ist Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

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