Andechs:Liebhaber-Paradies

Die Andechser Möbelbörse gilt als Geheimtipp für Nostalgiker und Sparsame. Ihr Erfolg zeigt: Gutes muss nicht teuer sein.

Von Blanche Mamer

Leonhard strahlt. Er war schon mehrmals da, um sich das Modellboot anzuschauen. Und jedesmal hat er vorher gebangt, ob es nicht doch schon verkauft sei. Nun, ein paar Tage vor seinem neunten Geburtstag, ist er stolzer Besitzer eines gut erhaltenen Torpedo-Schnellbootes. Auch Papa Peter lächelt zufrieden, und Leonhard trägt das mindestens ein Meter lange Bootsmodell wie eine Trophäe aus dem Stadl in der Kientalstraße in Erling. Hier findet einmal im Monat die Andechser Möbelbörse statt. Von März bis Oktober, jeweils am letzten Samstag im Monat, ist das ehemalige Bauhofgebäude geöffnet, und es geht eng zu. Das ist verständlich, denn hier wird viel geboten.

Mehrere Kunden warten schon, lange bevor Karl Strauß mit dem Schlüssel kommt, um das große Eingangstor zu öffnen. Meist sind einige Kleinmöbel und Haushaltsgegenstände vor der Tür abgestellt. Manche Interessenten haben Einkaufskörbe, vollgepackt mit Geschirr, das sie abgeben wollen, manche haben große leere Taschen dabei, die schon nach kürzester Zeit gefüllt sind. Mit Büchern, Schallplatten, Haushaltsgeräten, Porzellan.

Ein junger Mann hat eine Kaffeemaschine gefunden, hat sie kurz an die Steckdose angeschlossen, sie funktioniert. Und das für ein paar Euro. Eine Frau lädt einen Puppenwagen mit großer Babypuppe aus dem Kofferraum ihres Wagens, und noch bevor das Preisschildchen angebracht ist, hat sich schon eine Liebhaberin gefunden. "Manches geht so schnell weg, dass es gerade mal ausgepackt ist, Möbel stehen länger, doch alles findet einen Liebhaber", sagt Karl Strauß und lacht. Wie das Schiffsmodell. Ja, es hat ein paar Monate auf der Tenne auf einen neuen Besitzer gewartet. "Es ist doch schön, dass der Bub jetzt das Boot hat", sagt Strauß. 30 Euro hat der Papa dafür gezahlt. Einige Ersatzteile muss er besorgen, einige Details wird er wohl selber nachbauen müssen. Er schätzt, dass das Schiff vor mindestens 30 Jahren minutiös zusammengebaut wurde. Gemeinsam werden Vater und Sohn das gute Stück renovieren, die Fernbedienung richten. Und es dann auf dem Weiher oben in Erling zu Wasser lassen.

Eine Frau stöbert in alten Langspielplatten, daneben kämpft sich eine Siebenjährige durch einen Stapel Kinderbücher, während ihre Mutter beim Porzellan fündig wird und mit zwei großen Frühstückstassen mit Blumendekor zur Kasse eilt. Es ist eine alte Registrierkasse, selbst ein Liebhaberstück. Sie stammt aus einem Tante-Emma-Laden aus den 50ern und ist nicht verkäuflich. Sie ist mittlerweile eine Rarität. Wie die Trockenhaube aus einem Friseursalon, das alte Grundig-Radio, der Pick-up für Single-Schallplatten oder die Stehlampe mit drei Tütchenförmigen Schirmen aus vergilbtem Wachspapier, die schon wieder richtig cool ist.

Der niedrige Tisch daneben, auf dem eine Ansammlung von alten Gläsern steht, hat einen Liebhaber gefunden. Die Gläser werden umgeräumt, der Tisch mit eingelegten Kacheln wird in den Fond einer Limousine verfrachtet. Der zufriedene Käufer liebäugelt noch kurz mit einem knallroten Ledersessel, auf dessen Armlehne ein 50 Euro-Schildchen prangt. Das italienische Designerstück ist ziemlich extravagant und sieht aus wie neu. Doch der Interessent ist sich unschlüssig, ob seine Frau die Farbe mag. Ein junger Mann aus Frieding fährt mit seinem Anhänger vor und lädt ein viertüriges Küchenbuffet ab. Auch er betrachtet mit großem Interesse das leuchtend rote Prachtstück. Viele Möbel kommen aus Haushaltsauflösungen, manche standen zuvor auf dem Speicher und manche haben ihre Zeit in einer bestimmten Wohnung erfüllt oder passen nicht mehr zu einer Neuanschaffung.

Seit 16 Jahren gibt es das Sozialprojekt "Möbelbörse". Im April 1998 war es auf Anregung der damaligen Sozialreferentin Christine Lautenbach gegründet worden. Zunächst, um einer jungen Mutter mit zwei kleinen Kindern zu helfen, die nach einem Wohnungsbrand völlig mittellos auf der Straße stand. Die einmalige Aktion kam sehr gut an und wurde ein Erfolg, so dass der Möbelmarkt zu einer Dauereinrichtung wurde. Sein Quartier war zunächst im Rauscherstadl direkt an der Herrschinger Straße. Bis 2005, als der Stadl abgerissen wurde, um Platz zu machen für das "Haus Erling", das behindertengerechte Betreute Wohnen der Gemeinde. Diese stellte dann die nicht mehr genutzte Halle des Bauhofs zur Verfügung.

Der Erlös aus der Möbelbörse wird im Rahmen der "Aktion Sonnenblume" für soziale Zwecke in Andechs verwendet. Die kleinen Beträge läppern sich. An einem guten Samstag sind schon mal 700 bis 800 Euro in der Registrierkasse und werden dann umgehend auf das Sozialkonto der Gemeinde eingezahlt. Verantwortlich für den Möbelverkauf sind Marianne und Karl Strauß, sie werden von weiteren Ehrenamtlichen unterstützt.

Die Kunden der Möbelbörse sind bunt zusammengewürfelt, junge Leute aus dem Umland, die für wenig Geld einen Schrank, Tisch oder Geschirr für ihre erste Wohnung suchen, passionierte Flohmarktliebhaber, Schnäppchenjäger aus der Region oder auch Leute, die nur mal stöbern wollen. Und manche haben wirklich wenig Geld und sind froh um die guten Sachen. "Unsere Kunden haben in jedem Fall ein gutes Gefühl", sagt Strauß. Viele lieben schöne alte Möbel und gut erhaltene Gegenstände und finden, dass diese nicht einfach im Müll landen dürfen.

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