Andechs:Ernüchternde Erkenntnisse

Der "Helferkreis Asyl" gewährt Einblicke in den Alltag von Flüchtlingen, die versuchen, das deutsche Wesen zu verstehen

Von Ute Pröttel, Andechs

Die Situation ist paradox: Endlich ist der Bescheid zur Anerkennung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingetroffen, das Schreiben ist Grund für große Erleichterung bei vielen Asylsuchenden. Doch im Text steht auch, dass der anerkannte Flüchtling nun zum nächsten Ersten die Gemeinschaftsunterkunft verlassen muss. Oder: Was tun bei einem entzündeten Zahn, wenn die Arztkosten nicht mehr übernommen werden, weil es fünf oder sechs Wochen dauert, bis die neue Gesundheitskarte ausgestellt ist?

Die Regeln in Deutschland sind schwerfällig, für die meisten Flüchtlinge kaum zu verstehen. Hannelore Almus vom "Helferkreis Asyl" in Andechs verbringt unendlich viele Stunden damit, Anträge auszufüllen und Bescheide zu erklären. Sie koordiniert im Helferkreis Behörden und Ämter. Hakt immer wieder nach, wenn es um Arbeitserlaubnisse geht und telefoniert mit Krankenkassen. Schier sprachlos gemacht haben sie aber die Gebührenbescheide, die die Regierung von Unterfranken neuerdings verschickt, um bei Flüchtlingen, die eine Arbeit haben, Miete für ihren Schlafplatz in der Gemeinschaftsunterkunft einzutreiben. Mit circa 30 Euro pro Quadratmeter sei vor allem die Höhe dieser bayernweit festgelegten Miete ärgerlich.

"Wenn das ein privater Vermieter machen würde, würde man ihn dafür anzeigen", sagt Helferkreisleiter Manfred Boll. Dass es in der Andechser Wohnanlage am Birkenmoosäckerweg ruhig ist und die Menschen dort auf gutem Weg sind, liegt daran, dass der Helferkreis großartige Arbeit leistet. Ehrenamtliche Arbeit. Am Montagabend gewährte er einen Einblick in diese Sisyphusarbeit. Unter Leitung von Boll ist der Helferkreis in verschiedene Themenbereiche untergliedert: Sabine Glaab kümmert sich um Kinderbetreuung, Walter Galli, einst Gemeinderat der Grünen, um die Hausaufgabenbetreuung. Dr. Niko von Hollander betreut die Flüchtlinge in Gesundheitsfragen. Dazu gehörten anfangs erste medizinische Untersuchungen, dann aber vor allen Dingen, den Flüchtlingen das in Deutschland übliche Hausarztsystem zu erklären. In den meisten Herkunftsländern gehen die Menschen nämlich grundsätzlich ins Krankenhaus, wenn sie ärztliche Hilfe benötigen.

Die Aufgaben der Helfer haben sich seit dem Erstbezug der Gemeinschaftsunterkunft stark verändert. Ging es anfangs darum, Sprachkenntnisse zu vermitteln, Kleider oder Fahrräder zu organisieren, so geht es nun um Arbeit, Ausbildungsplätze und Wohnungen, diese zu finden und die nachhaltige Integration zu ermöglichen. Besonders wichtig ist dafür der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Doch genau daran hapert es in Andechs.

Anne Geiger und Angela Kaiser kümmern sich um die Freizeitgestaltung, sie berichten von einem Ausflug in den Tierpark Hellabrunn und einem fröhlichen Sommerfest für Frauen und Kinder. Doch Elisabeth Jacoby, die sich zusammen mit ihrem Mann Michael um individuelle Patenschaften kümmert, ist enttäuscht, dass zum Infoabend im TSV-Vereinsheim doch nur wieder Mitglieder des Helferkreises gekommen sind, die sich ohnehin engagieren. Sie sucht dringend weitere Paten - vor allem damit Flüchtlinge ihre Deutschkenntnisse verbessern, aber auch um die Menschen vielleicht mal beim Arztbesuch oder Behördengang zu begleiten.

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