Andechser Kirchenmusik:Ausklang mit Pauken und Trompeten

Weihnachtsoratorium von Bach im Florianstadel

Feinsinnig und klar: Musiker und Sänger beim Andechser Konzert unter der Leitung von Anton Ludwig Pfell.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kirchenmusiker Anton Ludwig Pfell verabschiedet sich mit Bachs Weihnachtsoratorium von Andechs

Von Reinhard Palmer, Andechs

Es ist nicht gerade üblich, dass ein Dirigent vor einem Konzert persönliche Worte ans Publikum richtet. Aber nach 34 Jahren kirchenmusikalischem Dienst im Kloster Andechs das allerletzte Konzert in der Funktion wortlos zu absolvieren, wäre kein Abschied in Würde gewesen. Mit wenigen, schlichten Sätzen dankte Anton Ludwig Pfell seinem treuen Publikum, dass auch bei dieser Aufführung von Bachs Weihnachtsoratoriums den Florian-Stadl bis auf den letzten Platz füllte. Und die Zuhörer dankten Pfell schon nach der kurzen Danksagung mit großem Applaus, vor allem aber später mit lang anhaltenden Schlussovationen. Sie galten einem Mann, mit dessen Abschied eine großartige kirchenmusikalische Ära zu Ende geht.

Eine offizielle Geste des Klosters blieb aus. Blumen gab es vom Mozart Chor Andechs und Applaus vom Ensemble Lodron München sowie von den Gesangssolisten. Als Pfell 2007 für seine musikalische Arbeit den Bundesverdienstorden erhielt, honorierte dies den Aufbau der Andechser Chöre sowie die Ergründung der musikalischen Klostergeschichte. Auch die Anfänge des Andechser Orff-Festivals sind damit verbunden. Ein großes Verdienst kam mit der Etablierung der konzertanten Orgelmusik in der Wallfahrtskirche hinzu.

Dass Pfell seinen Abschied mit dem Weihnachtsoratorium vollzog, war sicher kein schlechter Abgang. Eben mit Pauken und Trompeten, barocker Festlichkeit, aber auch mit Besinnlichkeit und feinsinnigen Emotionen. Letzteres galt in dieser Einstudierung besonders für die Choräle, die eben nicht einheitlich in sinnierende Atmosphäre getaucht waren, sondern ihre Aussagen mit subtiler Modellierung in den Vordergrund stellten. So etwa im extrem gedehnten "Schaut hin, dort liegt im finstern Stall" voller Zärtlichkeit und Fürsorglichkeit. Oder kurz vor Schluss der dritten Kantate im Choral "Ich will dich mit Fleiß bewahren", wo Pfell eine musikalische Umsetzung des "Mit dir will ich endlich schweben" als luftig-warme Brise wagte. Kontrastiert mit "voller Freud" in strahlender, ja euphorischer Charakteristik.

Doch keinesfalls ging es hier um ein unentwegtes Illustrieren. Pfell setzte vielmehr neue Akzente, die sich deutlich am biblischen Gehalt orientierten. Die Frage, woher die Musiken zum Teil profanen Ursprungs stammten, denen Bach im Parodie-Verfahren eine neue Seele eingehaucht hatte, blieb damit irrelevant: neue Worte, neuer Geist, neue Ausdeutung. Ein klarer Vorteil resultierte daraus in der Geschlossenheit der Interpretation, die eben nicht zwischen funktionalen, erzählenden oder ausdeutenden Bestandteilen unterschied, sondern die Einheit aus Musik, Inhalt und Gehalt suchte. Infolgedessen durfte der poetische Grundzug der Bachschen Musik kein Selbstzweck sein, was in gewisser Weise für eine klare, schnörkellose Linie sorgte. Kein Gestikulieren also, sondern feinsinnige Modellierung, die Tenor Kevin Conners als Evangelist edel, doch eindringlich pflegte. Mit schlanker Stimmführung im poetischen Linienfluss überzeugte einmal mehr Alexandra Petersamer mit ihrem warmen Alt, der insbesondere in "Schlafe, mein Liebster" mit dem Orchester in Symbiose eine wunderbare Atmosphäre ausbreitete. Ein Höhepunkt war zweifelsohne auch das Duett der sehr innig gestaltenden Sopranistin Susanne Winter und des kraftvoll-präzisen Basses Simon Schnorr, der sich in "Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen" angemessen zurückzunehmen verstand.

Klarheit, Transparenz und verständlicher Sprachduktus sorgten auch in den Chören stets für den entschiedenen Bezug der Musik zur biblischen Weihnachtsgeschichte. Das Ensemble Lodron nahm sich entsprechend zurück, um aber reicher in der Farbigkeit zu werden. Vor allem in der berührenden und ruhig wiegend ausgespielten Sinfonie zur Eröffnung der zweiten Kantate.

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