Ausstellung:Schatzkammer bäuerlicher Frömmigkeit

Im Dießener Pfarrmuseumist nach längerer Pause wiederdie Sammlung von Monsignore Winterholler zu besichtigen

Von Armin Greune, Dießen

"Da hast dei Sach'!" Nur mit diesen knappen Worten soll Michael Kaindl einen Traktor-Anhänger voller frommer Holzfiguren im Dießener Klosterhof abgeliefert haben. Den "Bauernschnitzer" hatte der Auftraggeber Monsignore Heinrich Winterholler entdeckt: Der ehemalige Dießener Pfarrer war ein Mäzen volkstümlicher Sakralkunst. Er förderte in Greifenberg auch den begabten Landwirt Max Raffler, der Mitte der 1960er Jahre schlagartig als naiver Maler berühmt wurde.

Vor allem aber war der Monsignore ein besessener Sammler, der im Dachgeschoss des Dießener Traidtcasten ganz verschiedenartige Exponate zusammentrug. Glanzpunkte sind eine vielseitige Krippenausstellung und die weltweit umfassendste Werkschau Rafflers. Nach einem längeren Dornröschenschlaf ist das Pfarrmuseum nun wieder an den Adventswochenenden geöffnet. Langfristig soll die Sammlung nach pädagogischen Gesichtspunkten wiederbelebt werden: "Es ist mein Ziel, das Museum neu zu orientieren mit einem erfahrenen, kreativen Museumsgestalter", sagt Dießens Pfarrer Kirchensteiner.

Ausstellung: Ein Nikolaus gefertigt von "Bauernschnitzer" Michael Kaindl.

Ein Nikolaus gefertigt von "Bauernschnitzer" Michael Kaindl.

(Foto: Anja Bach)

Dazu soll zunächst eine Bestandsaufnahme erfolgen, bevor ein Finanzierungskonzept entwickelt wird. Seit 2002 war die Sammlung vernachlässigt worden, mindestens fünf Jahre lang blieb sie ganz geschlossen. Für die Wiedereröffnung mussten jetzt die Helfer der Pfarreiengemeinschaft intensive Reinigungsarbeiten vornehmen. "In die bestehenden Arrangements wurde aber nicht eingegriffen", sagt Beate Bentele, die dabei mithalf und die Öffentlichkeitsarbeit für das Museum übernommen hat. Sie konnte selbst noch miterleben, wie sich Winterhollers "Schatzkammer" füllte.

Der in Geltendorf geborene und aufgewachsene Geistliche war schon 1957 als junger Kaplan zum ersten Mal nach Dießen gekommen. Von 1963 bis 1978 betreute er die Gemeinde Windach, bevor er nach Dießen abberufen wurde. Dort war Winterholler bis zum Jahr 1996 Pfarrer, bereits ein Jahr später verstarb er im Alter von 66 Jahren. Sein Engagement hat wesentlich zur Sanierung des vormaligen Augustinerstifts Dießen beigetragen, von dem zu seinem Amtsantritt große Teile zum Abriss freigegeben waren. Das seinerzeit einsturzgefährdete Marienmünster wurde in zwölf Jahre langer Arbeit restauriert, der Turm rekonstruiert. Aus einer dem Verfall preisgegeben Scheune, dem Traidtcasten, wurde die Winterkirche St. Stephan, im Obergeschoss entstand ein Gemeindesaal und unter den historischen Dachbalken fanden Teile der Winterholler-Sammlung Platz. Den Grundstock dazu legte der Monsignore bereits zu seiner Studentenzeit, und der wurde ständig auf Flohmärkten, Messen und Auktionen erweitert, wie Bentele erzählt.

Viele Exponate stammen aber auch aus Schenkungen - und so ist in den drei Räumen des Pfarrmuseums heute ein knallbuntes Sammelsurium aus skurrilen Dokumenten ländlicher Frömmigkeit und Kunstschätzen versammelt. Andachtsbildchen, Wachsstöcke, Gebetsbücher, Zinndevotionalien und Votivtafeln mit abenteuerlicher Orthografie finden sich ebenso wie dicht an dicht gehängte Laienmalerei, die von recht unterschiedlich ausgeprägtem künstlerischen Talent künden.

Eine Sonderstellung nehmen freilich die hinter Glas gerahmten Bilder von Max Raffler ein. Der Landwirt hatte schon sein Leben lang gemalt, als im Alter von 66 Jahren sein künstlerisches Talent entdeckt wurde. Zuvor hatten seine Schwestern die Arbeiten, die Raffler notfalls auch auf zurechtgeschnittenen Saatgutsäcken oder den Rückseiten von Formularen hinterlassen hatte, dem Vernehmen nach "säckeweise weggeschmissen" oder im Ofen verheizt. Nachdem ihn ein früherer Dozent an der Akademie der Bildenden Künste ermutigte hatte, nahm Raffler an einem Sonntagsmaler-Wettbewerb in Amsterdam teil und gewann unter 3648 Einsendern den zweiten Preis. Damit wurde der Autodidakt rasch über seine oberbayerische Heimat hinaus bekannt: Er galt als authentisch naiver Maler und wurde deshalb oft mit Henri Rousseau verglichen. Winterholler erwarb mehr als 100 Raffler-Bilder, die meist Menschen in ihrer ländlichen Umgebung wiedergeben.

Auch Michael Kaindl widmete sich einer naiven, kindlichen Kunst, die tief in bäuerlicher Frömmigkeit verwurzelt war. Seine mit der Kettensäge gefertigten Heiligenstatuen wirken minimalistisch-grob, die steife Haltung erinnert an die Figuren eines Puppentheaters. Anders als Raffler wurde Kaindl zu Lebzeiten "in der Bevölkerung als Künstler nicht ernst genommen", sagt Bentele. Winterholler freilich erkannte die Ausdruckskraft der "Manschgerl", die der wortkarge Land- und Gastwirt meist aus Buchenholz fräste: Er beauftragte Kaindl, für den Klosterhof einen Kreuzweg zu fertigen. Im Pfarrmuseum sind neben Kruzifixen, Engeln und Nothelfern auch Baumscheiben mit Votiv-Texten von Kaindl zu sehen. Außerdem hat er eine der Krippen der Ausstellung geschnitzt.

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