Ammerland:Hohe Kunst der Ironie

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Ein Vortrag beleuchtet Loriots Schaffen

Von Christa Gebhardt, Ammerland

Der vielseitige Loriot, bürgerlich Vicco von Bülow, ist auch nach seinem Tod 2011 der Stolz der Gemeinde Münsing. Dort hat er den Großteil seines Lebens verbracht. Michael Köhle, Vorsitzender der Pocci-Gesellschaft und Veranstalter des Vortrags "Loriot und die Zeichenkunst der Ironie", erwähnt dies in seiner knappen Begrüßung im Münsinger "Freiraum" und bedauert, dass weder Bürgermeister Michael Grasl noch ein Gemeinderat sich unter die überschaubare Zahl der Zuhörer gemischt habe.

Eine Spitze auf die schwelende Diskussion zwischen Gemeinderat und Agenda Kultur. Die Meinungen zum in Auftrag gegebenen Loriot-Denkmal auf dem Marktplatz gehen weit auseinander. Am Status quo habe sich aber bisher nichts geändert, so Köhle, doch das Ärgernis solle nicht die Thematik des Abends überlagern; es gehe um Loriots Zeichenkunst.

Einen Überblick gibt Professor Dietrich Grünewald, ehemals tätig im Institut für Kunstwissenschaft Koblenz, und der Gesellschaft für Comicforschung. Loriot begann in seinem Studium an der Kunstakademie Hamburg am Ende des Zweiten Weltkriegs mit ersten Zeichnungen. Sie hatten den Militarismus zum Thema, die eitle Selbstdarstellung der Generäle oder die Realität der einfachen Soldaten. Die Vorbilder reichen bis zu Spitzwegs "Strickendem Vorposten" (1830) und wirken bis in die beißend satirischen Poster des Grafikers Klaus Staeck ("Soldaten aller Länder vereinigt euch", 1981) hinein.

Den Gegensatz von Schein und Sein, den Zusammenbruch von angeblicher Würde, falschem Pathos oder die Absurdität im Zusammentreffen von Alltagsmenschen mit Vertreten der öffentlichen Ordnung hat Loriot sein Leben lang in ironischen Bilderserien festgehalten.

Grandios ist Loriots Erfindung des Knollennasenmännchens, seines Markenzeichens. Zeitlos und herzerfrischend witzig bleibt die Cartoonserie "Auf den Hund gekommen", in der die Rollen von Mensch und Hund vertauscht werden. Sie wurde bereits in den 50er Jahren im Stern veröffentlicht und löste wütenden Protest aus. Der Stern lehnte damals weitere Publikationen der Werke Loriots ab. Der arbeitete daraufhin fast ausschließlich für Daniel Keel, Diogenes Verlag, und von 1962 bis 1982 für die Zeitschrift Pardon mit 1,5 Millionen Lesern.

Die Beispiele, die Grünewald zeigt, lösen generationenübergreifend Heiterkeit aus, denn für die Entschlüsselung der satirischen Botschaften genügt einfaches Wissen über die Untiefen des Alltags. Obwohl sich Loriot intensiv mit der Tradition der Satire in Zeiten der politischen Unterdrückung, Restauration und Zensur beschäftigt hat, bleibt der rührend lächerliche Wesenskern des Menschlichen sein Hauptanliegen. Die "Tücke des Objekts" betrifft den Menschen an sich und seine zerbröselte Kommunikation. Die Störung im gegenseitigen Wahrnehmen und das Misslingen im Verstehen ist das Lieblingsthema Loriots geblieben.

Er selbst sagte: "Ich bin davon überzeugt, dass sich die meisten Konflikte in einer rücksichtsvollen und von gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre beilegen lassen."

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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