Starkbieranstich:Seehofer gleich zweimal auf der Nockherberg-Bühne

Das hat noch kein Ministerpräsident vor ihm geschafft. Dabei haben die Autoren die Frage, wie der Landesvater darzustellen ist, schon immer sehr kreativ gelöst. Ein Rückblick.

Von Wolfgang Görl

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Franz Josef Strauß, Walter Fritz, Hans-Dietrich Genscher, Wastl Fritz, 1983

Quelle: Alfred A. Haase

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Als Franz Josef Strauß noch Verteidigungsminister war, scheute sich der Roider Jackl, ein scharfzüngiger Gstanzl-Sänger, nicht, den mächtigen CSU-Mann bei der Salvatorprobe 1958 mit einem veritablen Nazi-Vergleich zu schmähen: "Unser Verteidigungsminister / geht schwer auseinand', / und wenn er so weitermacht, / passt ihm bald dem Göring sein G'wand." Auch später wurde Strauß auf dem Nockherberg regelmäßig derbleckt, im Polit-Musical 1983 aber geriet die Satire an den Rand der Anwanzerei. "Die Krönung oder wie Franz Josef Strauß den Bayern erhalten blieb" hieß dieser Vorläufer des Singspiels, und tatsächlich wurde nicht nur Strauß-Double Walter Fitz zum "Rex Bavariae" gekrönt, sondern schließlich auch Strauß selbst, der unter dem Beifall der CSU-Hofschranzen auf die Bühne gekommen war, wo man ihm die Königskrone aufs Haupt setzte und seine wuchtige Gestalt in einen Hermelinmantel hüllte.

Blickt man auf die Skandale und die Spezlwirtschaft des realen FJS, dann muss man sagen, dass die zeitgenössischen Derblecker ihn ziemlich milde behandelt haben. Rund 20 Jahre nach seinem Tod feierte Strauß ein umjubeltes Nockherberg-Comeback. Der Kabarettist Helmut Schleich war 2010 in die Rolle des CSU-Übervaters geschlüpft, der nun, aus dem Jenseits zurückgekehrt, vor allem seinen aktuellen Parteifreunden nach allen Regeln der Schmähkunst die Leviten las.

Max Streibl mit Hut

Quelle: picture-alliance / dpa

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Nicht nur als Politiker, sondern auch als Figur auf der Nockherberg-Bühne stand Max Streibl deutlich im Schatten seines schillernden Vorgängers Franz Josef Strauß. Streibl, seit Oktober 1988 bayerischer Ministerpräsident, stolperte 1993 über die sogenannte "Amigo-Affäre", bei der es unter anderem um Gratis-Reisen auf Kosten eines befreundeten Unternehmers gegangen war. Damals fungierte der Schauspieler Max Griesser als Bußprediger, und in seiner Rede, verfasst von Hannes Burger, bekam Streibl zu hören: "Es war auch überhaupt kein Fehler, Herr Streibl, dass Sie sich von einem guten Freund haben einladen lassen. Erstens war das nichts Unrechtes - und zweitens haben Sie ja nicht wissen können, dass es aufkommt. Nein, ein Fehler war es schon eher, dass Sie denen noch den Ministerpräsidenten gemacht haben - dieser undankbaren Medienbande."

Ein Jahr zuvor war Gerd Fitz in der Rolle des Streibl aufgetreten, und zwar als ein Ministerpräsident, der den Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik plant. Der Singspiel-Streibl erscheint in dem Stück als unbedarfter Amtsinhaber, der von den Vorgängen um ihn herum wenig Ahnung hat. Und er spürt einen Kontrahenten in seinem Rücken, den er schaudernd besingt: "Der Stoiber wird's schon wissen, was weiß der Stoiber nicht."

Michael Lerchenberg

Quelle: Peter Kneffel/dpa

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Edmund Stoiber hatte in Michael Lerchenberg über zwei Jahrzehnte hinweg ein fulminantes Double, und gegen Ende dieser Ära wusste man nicht mehr recht, ob Lerchenberg Stoiber imitierte oder ob sich nicht viel mehr Stoiber an seiner Bühnenfigur orientierte. Diese Schicksalsgemeinschaft nahm 1984 ihren Anfang, als Lerchenberg mit großformatiger Juristenbrille und streberhaftem Elan den "Adjutanten Stoiber" gab, das "blonde Fallbeil" in Diensten von Franz Josef Strauß. Als Stoiber es selbst zum Ministerpräsidenten geschafft hat, folgt ihm Lerchenberg auf dem Nockherberg wie ein Schatten.

Oft erschien Stoiber da als strenger Zuchtmeister, der seine Untergebenen - Erwin Huber und Günther Beckstein erwischte es am schlimmsten - drangsalierte und ihnen unentwegt zu verstehen gab, dass sie unwürdige kleine Würstchen seien, die ohne seine Weisheit verloren wären. Der Singspiel-Stoiber gefiel sich in der pathetischen Inszenierung seiner selbst, und je länger der richtige Stoiber im Amt war, desto selbstverliebter und salbungsvoller war seine Salvatorspiel-Figur. Unvergessen der Abschied 2007, als der Lerchenberg-Stoiber sang: "Weint nicht um mich, Landeskinder. Ihr werdet es schwer bereuen. Es ist zu spät jetzt, spart euch die Tränen. Ich werde weg sein, ihr kriegt den Beckstein."

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Quelle: Lindenthaler/Imago

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Der Schauspieler Andreas Borcherding gab beim Salvatorspiel 2008 einen wunderbaren Günther Beckstein, aber er hatte das Pech, dass der Original-Beckstein im folgenden Jahr schon wieder aus dem Amt des Ministerpräsidenten gejagt war - damit verschwand der fränkische Politiker auch von der Nockherberg-Bühne. Neben Beckstein war, wie in der wirklichen Politik, Erwin Huber die Hauptfigur, was sich schon ein Jahr zuvor bei der Salvatorprobe abgezeichnet hatte, als die beiden als skrupelloses Intrigantenduo auftraten: "Mach ma's doch wie neulich: Getrennt meucheln, gemeinsam erben."

Beckstein also erbte von Stoiber das Amt des Ministerpräsidenten, und als solcher ist auch sein Singspiel-Alter-Ego - so prophetisch waren die Autoren des Stücks - überfordert: "Es tut mir leid, ich brauch Zeit / weil ich mich net gern entscheid, / legt's mi net fest. Da fragen's nach - jeden Tach, / wisster, was ich dene sach? / Machts mer kan Stress!" Natürlich bekam er trotzdem Stress, nicht zuletzt durch seinen Vorgänger Stoiber, den Becksteins Gemächlichkeit ("Ich führ das Amt wie a Kaffeekränzchen.") auf die Palme brachte: "Ich leide wie ein Hund. Da muss man doch durchregieren." Aber das war Becksteins Sache nicht, und man ahnte bereits, dass sich dieser Ministerpräsident nicht lange halten würde.

Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg, 2015

Quelle: Robert Haas

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Als 2007 die CSU-Granden um die Nachfolge Stoibers stritten, erschien auch Horst Seehofer, verkörpert von Christoph Zrenner, auf der Nockherberg-Bühne, und zu Erwin Huber sagte er die prophetischen Worte: "Erwin, begreif's, das Volk will mich, nicht dich." So kam es dann auch, und beim Singspiel 2014, inszeniert von Marcus H. Rosenmüller, tritt Seehofer als selbstbewusster, nein, selbstherrlicher Alleskönner auf: Zum Abschied seines "lieben Freundes" Christian Ude will er den "Faust" inszenieren, die Besetzung der Rollen hat er bereits vorbereitet: Seehofer spielt den Faust, Seehofer spielt den Mephisto, Seehofer spielt das Gretchen.

Markus Söder, der ewig um Anerkennung buhlende Ministerpräsident in spe, hätte auch gerne eine große Rolle, aber sein Chef verbannt ihn in die Requisite. Seehofer sonnt sich im eigenen Glanz und stimmt den "Königsjodler" an: "Nun bin ich endlich König, es wurd' auch langsam Zeit." Im folgenden Singspiel, 2015, hebt Seehofer völlig ab, er gleitet als Raumschiffkapitän mit seiner Crew durchs All. Tatsächlich ist das ein Traum, und als er erwacht, verkündet er: "Ich sehe es als meine gottgegebene Pflicht als Christ, wirklich jedem, den die Not an unsere Pforten treibt, mit offenem Herzen und Güte zu begegnen." Kaum zu glauben, das war vor einem Jahr.

© SZ vom 24.02.2016/vewo
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