Starkbieranstich auf dem Nockherberg:Weniger wäre mehr gewesen

Wo ist der Esprit? Bußprediger Lerchenberg überzeugt zwar schauspielerisch, Pointen sind aber dünn gesät.

Wolfgang Görl

Die Salvator-Probe 2008 - sie ist eine Premiere in mehrfacher Hinsicht: neuer Bußprediger, neuer Ministerpräsident, neuer Ex-Ministerpräsident. Und wenn es stimmt, dass Günther Beckstein seine Rolle als bayerischer Kabinettschef bis dato ebenso wenig glanzvoll ausfüllt wie Edmund Stoiber die seine als Frührentner mit Sonderaufgaben in Sachen Bürokratieabbau, dann muss man hinzufügen, dass es ihnen Michael Lerchenberg als "Bruder Barnabas" gleichtut.

Oder, um genauer zu sein: Lerchenbergs schauspielerische Leistung als Vortragender ist makellos, der Text freilich, den er zusammen mit dem Kabarettisten Christian Springer verfasst hat, ist recht langatmig geraten. Man hätte gern etwas mehr gelacht, aber dazu waren die wirklich zündenden Pointen doch zu dünn gesät.

Ehe es losgeht, zieht Beckstein zum Klang des unvermeidlichen bayerischen Defiliermarschs in den Paulaner-Festsaal ein, verfolgt von einen Großaufgebot an Kameraleuten und Fotografen. Beinahe unbemerkt gelangt hingegen CSU-Chef Erwin Huber in die heiligen Hallen: Er ist plötzlich da, so als wäre er gerade aus dem Boden gewachsen. Wie man einen glamourösen Auftritt hinlegt, könnte Huber von seiner Generalsekretärin Christine Haderthauer lernen. Die flotte Lady besteigt gleich mal die Bühne und posiert dort für die Fotografen als, wie Huber vermutlich sagen würde, Upper-Bavarian-Glamour-Girl.

Wenig später, Brauerei-Geschäftsführer Andreas Steinfatt hatte seine Begrüßung soeben ohne größere sprachliche Unfälle hinter sich gebracht, eilt Michael Lerchenberg alias Bruder Barnabas mit einer Ratsche in der Hand durch die Reihen. Von der Kanzel herab, die als überdimensionaler Maßkrug gestaltet ist, beginnt er seine Bußpredigt im Stil des scharfzüngigen florentinischen Dominikaners Savonarola.

Eines seiner ersten Opfer ist der arme Münchner OB-Kandidat Josef Schmid (CSU), den er auffordert, sich zu erheben, damit die Leute später wissen, wer das einmal gewesen ist. Leider verliert sich der Bußprediger immer wieder im öden Feld zwischen sozialdemokratischem Betroffenheits-Kabarett ("Man kann net wegen jedem Euro mehr für einen Hartz-IV-Empfänger, der sein Heizöl nimmer zahlen kann, einen Eiertanz aufführen, aber sich selbst die Taschen vollstopfen!") und derben Sottisen ("Unsere schwäbische Sicherheitswanze und Überwachungsfetischistin Beate Merk").

Weniger wäre mehr gewesen

Zu selten sind subtile Pointen wie die Sonderdurchsage der Bochumer Staatsanwaltschaft: Die Besitzer gewisser Liechtensteiner Konten mögen doch bitte dringend in ihrem Büro anrufen. Insgesamt eine passable Vorstellung, die noch steigerungsfähig ist.

In puncto Singspiel muss man sich allmählich Sorgen machen. Seit zwei, drei Jahren sinkt das einst hohe Niveau des Parodie-Spektakels. An den Schauspielern liegt das nicht. Andreas Borcherding gibt einen wunderbaren Beckstein, Eva-Maria Höfling ist als Grünen-Chefin Claudia Roth mittlerweile eine der Nockherberg-Attraktionen, und dass Uli Bauer mit Christian Ude längst zu einer einzigen Figur zusammengewachsen ist, weiß die freibiergetränkte Nockherberg-Gemeinde seit Jahren.

Warum man aber den höchst witzigen Norbert Heckner ausgebootet hat und an seiner Statt nun Winfried Frey in der Rolle Erwin Hubers auftritt, ist ein Rätsel. Künstlerische Gründe sind jedenfalls nicht ersichtlich. Insgesamt leidet das Spiel unter oft faden Dialogen, und auch die Songs haben bei weitem nicht den Esprit früherer Jahre.

Ort der Handlung ist die "Tankstelle Nockherberg", die merkwürdigerweise irgendwo in der Wüste liegt. Warum, ist nicht ersichtlich, und die Szene könnte sich genauso gut vor einer Trinkhalle oder sonstwo abspielen. "Na gut, mach ma halt weiter so", sagt der Bühnen-Beckstein am Schluss. Besser nicht, möchte man hinzufügen.

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