Stammstrecke:Gasteig klagt gegen Planungen des zweiten S-Bahn-Tunnels

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  • Gasteig-Geschäftsführerin Brigitte von Welser begrüßt das Projekt grundsätzlich.
  • Die Pläne der Bahn zu Lärm und Absperrungen rund um das Musikzentrum hält sie aber für unzureichend.
  • Andere Kläger wollen den Tunnel ganz kippen. Deshalb wird es spannend, wie sich das Gericht zu diesen Aspekten stellt.

Von Marco Völklein, München

Die städtische Betreibergesellschaft des Gasteig-Kulturzentrums wird vor Gericht gegen die Planungen des zweiten S-Bahn-Tunnels vorgehen. Man bereite eine entsprechende Klageschrift vor, um diese in den nächsten Wochen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) einzureichen, sagt Gasteig-Geschäftsführerin Brigitte von Welser.

Sie befürchtet vor allem während der sieben- bis achtjährigen Bauzeit erhebliche Beeinträchtigungen für den Kulturbetrieb. Zugleich betont Welser, dass sich die Klage nicht gegen den Tunnel an sich richtet: "Wir begrüßen das Projekt sehr." Viele Besucher nutzten schon jetzt die S-Bahn zur An- und Abreise, eine zweite Strecke in der Innenstadt sei aus ihrer Sicht "ausdrücklich eine Bereicherung" - wenngleich bei der zweiten Röhre ein zusätzlicher Halt in Gasteig-Nähe nicht vorgesehen ist.

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Beim VGH liegt bereits eine erste Klage gegen die Baugenehmigung für den östlichen Bauabschnitt vor. Diese habe ein Hotelbetreiber eingereicht, der sich ebenfalls gegen Belastungen während der Bauzeit zur Wehr setzen will, sagt VGH-Sprecher Martin Scholtysik. Zudem plant die Haidhauser Bürgerinitiative weitere Klagen gegen das Projekt, ebenso eine Interessengemeinschaft von Gewerbetreibenden in dem Viertel. Man habe bereits mehrere Musterkläger ausgesucht, sagt Ingeborg Michelfeit, die Co-Vorsitzende der Bürgerinitiative. Die von der Bürgerinitiative beauftragte Anwaltskanzlei sei derzeit damit beschäftigt, die Klageschriften vorzubereiten. Diese müssen bis Mitte Juli beim VGH in der Ludwigstraße eingereicht sein.

Auch für Welser gelten diese Fristen. "Uns bleibt somit gar nichts anders übrig als zu klagen, um unsere Interessen zu wahren", sagt die Gasteig-Chefin. Ziel der Klage sei es "ausdrücklich nicht, eine jahrelange Auseinandersetzung vor Gericht zu führen". Vielmehr gehe es dem Kulturbetrieb darum, mögliche Einschränkungen vor allem während der Bauzeit zu vermeiden - und im Gespräch mit der Deutschen Bahn als Bauherrin des zweiten Tunnels Lösungen zu finden. So befürchtet Welser unter anderem Beeinträchtigungen durch den Baulärm sowie Beschränkungen bei der Zufahrt zum Gasteig über die Kellerstraße.

Dort will die Deutsche Bahn auf dem Platz vor dem Pub "Molly Malones" einen Rettungsschacht buddeln. Bereits im Genehmigungsverfahren hatte die Gasteig-Gesellschaft Bedenken angemeldet; das Eisenbahnbundesamt (EBA) aber hatte im Genehmigungsbescheid, dem sogenannten Planfeststellungsbeschluss, die meisten Einwände abgeschmettert. So seien "aufgrund des großen Abstands" des Gasteigs zur Baustelle Lärmbelästigungen "höchstwahrscheinlich generell auszuschließen", so das Amt. Zudem bleibe die Kellerstraße während der Bauzeit durchgehend befahrbar, "Einschränkungen der verkehrlichen Erreichbarkeit für den Gasteig sind daher nicht gegeben", urteilten die EBA-Juristen in ihrem Bescheid.

Aus Welsers Sicht ist das aber "zu unkonkret, zu Wischiwaschi". Sie will mit der Bahn konkretere Zusagen aushandeln. Um das zu erreichen, bleibe nur der Klageweg. Ähnlich war im Jahr 2011 bereits das Hotel Bayerischer Hof am Promenadeplatz gegen die Planungen im mittleren Tunnelabschnitt rund um den Marienhof vorgegangen: Hotelchefin Innegrit Volkhardt hatte damals betont, die Tunnelplanungen an sich zu begrüßen - vor Gericht hatte sie dennoch geklagt und sich noch in der mündlichen Verhandlung mit dem Chefplaner der Bahn auf Verbesserungen beim Lärmschutz und bei der Baustellenabwicklung geeinigt.

Auch am Hauptbahnhof gibt es Klagen

Ähnlich sieht es rund um den Hauptbahnhof aus. Dort ist unter anderem der Bau einer neuen Station geplant; dazu werden der Bahnhofsvorplatz und Teile der Schützenstraße aufgegraben. Insgesamt sieben Anrainer, darunter das Hotel Königshof, klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss. Verhandelt wird am Dienstag dieser Woche vor dem VGH. Wie Welser betonen auch die Königshof-Betreiber, dass sich ihre Klage nicht gegen das Projekt an sich richte, sondern gegen die Details der Baustellenabwicklung.

Andere Kläger aus der Schützenstraße wollen dagegen den Drei-Milliarden-Euro-Tunnel ganz kippen; aus ihrer Sicht wäre unter anderem ein Teilausbau des Bahn-Südrings sinnvoller. Deshalb wird es spannend, wie sich das Gericht zu diesen Aspekten stellt.

Dass mit dem Gasteig nun eine städtische Gesellschaft gegen die Tunnelplanungen klagt, ist dennoch ungewöhnlich. So hatten etwa auch die Stadtwerke oder die Berufsfeuerwehr Einwendungen im Genehmigungsverfahren erhoben - längst nicht alle wurden vom EBA in den Planfeststellungsbeschlüssen berücksichtigt. Zu einer Klage haben sich aber bisher weder Feuerwehr noch Stadtwerke durchgerungen. Die Tunnelgegner vermuten als treibende Kraft dahinter die Stadtspitze, die ja die zweite Röhre ausdrücklich begrüßt.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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