Stalking ist eine Straftat:"Tathandlungen dokumentieren"

Seit fünf Jahren steht Stalking unter Strafe. Staatsanwältin Andrea Titz erklärt, was Opfer von Stalkern konkret tun können und mit welchen Strafen die Täter zu rechnen haben.

Beate Wild

Andrea Titz, 40, ist Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft München II. Die von ihr geleitete Abteilung bearbeitet Stalking-Verfahren.

Stalking ist eine Straftat: Andrea Titz: Opfer sollten eine Art Stalking-Tagebuch führen.

Andrea Titz: Opfer sollten eine Art Stalking-Tagebuch führen.

(Foto: oh)

Frau Titz, seit fünf Jahren gibt es den Nachstellungs-Paragraphen, der Stalking unter Strafe stellt. Welche Lücke im Strafrecht soll der Paragraph schließen?

Er stellt ein Verhalten des Täters unter Strafe, das nicht als Beleidigung, Bedrohung oder Körperverletzung zählt, das für das Opfer aber mehr als nur eine unangenehme Belästigung ist.

Worum geht es konkret?

Nach dem Gesetzeswortlaut gehören das beharrliche Aufsuchen der räumlichen Nähe eines Anderen dazu, beharrliche Kontaktversuche mittels Telefon, SMS oder Internet, beharrliche missbräuchliche Verwendung von Daten des Anderen oder beharrliche Bedrohungen mit Verletzungen jeglicher Art. Natürlich immer nur, wenn es gegen den Willen des Opfers geschieht und dessen Leben schwerwiegend beeinträchtigt wird.

Ab wann kann von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensführung gesprochen werden?

Wenn das Opfer seinen Alltag und sein Freizeitverhalten ändern muss. Beispiele sind das Aufgeben der Wohnung, der Umzug in eine andere Stadt, der Wechsel der Arbeitsstelle, die Aufgabe von Freizeitaktivitäten, die Namensänderung oder Nutzung von Decknamen im persönlichen Umfeld. Nicht ausreichend laut Rechtsprechung sind hingegen etwa die Anschaffung eines Anrufbeantworters, der Wechsel von Telefonnummer oder Mail-Adresse sowie geringfügige Veränderungen im Tagesablauf. Das sind aber immer Einzelfallentscheidungen.

Viele Stalkingopfer bemängeln, dass der Paragraph 238 im Strafgesetzbuch nicht weit genug geht, dass etwa psychische Qualen nicht ausreichen, um gegen Stalker vorzugehen. Berechtigte Kritik?

Bei der Fassung des Gesetzeswortlauts musste eine Eingrenzung gefunden werden, die sicherstellt, dass nicht jedes lästige Verhalten mit Strafe bedroht wird. Die Kritik, dass seelische Qualen nicht berücksichtigt werden, ist aus meiner Sicht nicht berechtigt. Denn seelische Qualen, die mit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung einhergehen, sind strafbar. Zudem sind Tathandlungen, die pathologische seelische Qualen auslösen, unabhängig von einer etwaigen Schwelle des sogenannten Stalking-Paragraphen als vorsätzliche Körperverletzung strafbar.

Wie kann ein Opfer vor Gericht beweisen, dass es belästigt wird?

Jedem Opfer ist zu raten, die einzelnen Tathandlungen so genau wie möglich zu dokumentieren. Voraussetzung dafür, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, ist, dass die Taten so genau wie möglich konkretisiert werden. Bloß vage Angaben des Opfers sind nicht geeignet, um eine Anklage darauf zu stützen. Das hat nichts damit zu tun, dass dem Opfer nicht geglaubt wird. Vielmehr fehlen dann schlicht die gesetzlichen Voraussetzungen, so dass der Staatsanwaltschaft in solchen Fällen gar nichts anderes übrig bleibt, als das Verfahren einzustellen. Eine Art Stalking-Tagebuch mit entsprechenden Aufzeichnungen erleichtert es dem Opfer häufig, das Geschehene so genau wie möglich darzustellen.

Mit welchem Strafmaß muss ein Stalker rechnen?

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe. Bringt der Täter das Opfer in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

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