Städtisches Klinikum:Keimfrei

Eine Spülmaschine, die zwei Räume füllt und 800 000 Euro kostet: Das Städtische Klinikum Neuperlach hat eine neue Anlage, in der Endoskope und andere Operationsinstrumente gereinigt werden. Damit kein Krankheitserreger übertragen wird

Von Stephan Handel

Das Ding ist gut einen Meter lang, schwarz, und hat nicht ganz die Dicke eines Gartenschlauchs. An einem Ende sitzt etwas, das aussieht wie ein Elektrostecker aus einem exotischen Land. Ungefähr in der Mitte finden sich mehrere Rädchen. Wird an ihnen gedreht, dann bewegt sich die Spitze wie ein niedlicher Dinosaurierkopf in einem Trickfilm. Das Ding kostet gut 35 000 Euro, und es macht Menschen gesund. Da wäre es natürlich schade, es nach nur einer Benutzung wegzuschmeißen.

Wolfgang Schmitt betrachtet sein Hauptarbeitsgerät mit einem fast zärtlichen Blick. Er ist Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Klinikum Neuperlach. Der schwarze Schlauch ist ein Endoskop; mit ihm untersucht und therapiert Schmitt seine Patienten. Dazu wird die Spitze ins Körperinnere eingeführt, über die Speiseröhre oder das andere Ende des Verdauungstraktes. Natürlich lässt es sich nicht vermeiden, dass das Ding dabei schmutzig wird.

Städtisches Klinikum: Begehrtes Diebesgut: Endoskope in einem Krankenhaus in München.

Begehrtes Diebesgut: Endoskope in einem Krankenhaus in München.

(Foto: Catherina Hess)

Das Neuperlacher Klinikum gehört zur Städtischen Klinikum GmbH (StKM), und wer bei der Kombination dieser beiden Wörter - Städtisches Klinikum und Schmutz - nicht aufhorcht, der hat die vergangenen fünf Jahre ganz bestimmt nicht in München verbracht: Der Hygiene-Skandal von 2010 offenbarte und löste eine wirtschaftliche Schieflage der StKM aus, an deren Behebung seitdem gearbeitet wird - mit diversen Konzepten, aber immer noch ungewissem Ausgang. Eines aber hat der Hygiene-Skandal ganz offensichtlich in den Fokus gerückt: das Bewusstsein dafür, dass kein Patient in eine Klinik gehen will, deren Sauberkeit nicht über alle Zweifel erhaben ist.

"Wir wollen nicht nur die Standards erfüllen", sagt StKM-Geschäftsführer Axel Fischer. "Wir wollen Vorreiter sein." Und deshalb hat Wolfgang Schmitt in Neuperlach nun in seiner Abteilung zwei Räume wie aus dem Traumalbum eines Geschirrspül-Fetischisten: Vier deckenhohe Maschinen trennen zwei Räume, die Geräte haben eine Tür hier und eine auf der anderen Seite, was ihnen den Namen "Durchreichemaschinen" einbringt. Sie sind laut Schmitt in München einzigartig, eine kostet 100 000 Euro, für die ganze Anlage hat die StKM 800 000 hingelegt. Schmitts Stimme hebt sich, als er noch bemerkt, dass die Charité in Berlin gerade erst dabei ist, eine solche Einrichtung aufzubauen.

Städtisches Klinikum: Die neuen Waschmaschinen für Endoskopische Geräte.

Die neuen Waschmaschinen für Endoskopische Geräte.

(Foto: Catherina Hess)

Wenn die Endoskope ihren Dienst am Patienten getan haben, nur ein paar Türen weiter, dann werden sie noch dort oberflächlich gereinigt. Anschließend kommen sie in den unreinen Teil des Doppelraums und von dort in die Spülmaschine. Dort werden sie aber nicht nur oberflächlich abgewaschen - ein System aus bunten Schläuchen leitet Sterilisations-Flüssigkeit durch alle Kanäle des Endoskops, es ist anders als der Gartenschlauch nicht hohl: Eine Kamera sitzt an der Dinosaurierkopf-Spitze und eine Lichtquelle, von beiden führt ein Glasfaserkabel nach hinten. Über einen Hohlkanal können die eigentlichen OP-Instrumente eingebracht werden, Zangen, Messer, Schlingen. Alle diese Hohlräume müssen nicht nur gereinigt, sondern sterilisiert werden, damit ja kein Krankheitserreger von einem Patienten auf den nächsten übertragen wird.

Dem dient auch die Zwei-Raum-Lösung: Auf der einen Seite kommen die verschmutzten, benutzten Endoskope in die Spülmaschine - auf der anderen Seite kommen sie sauber wieder heraus. Dann werden sie in einem Trockenschrank aufbewahrt, in dem sie zudem mit Luft durchgepustet werden, damit keine Feuchtigkeit zurückbleibt, die ein Nährboden für neue Keime sein könnte. In dem Trockenschrank könnten die Endoskope bis zu zwölf Tage steril aufbewahrt werden; so empfiehlt es das Robert-Koch-Institut. In der Klinik in Neuperlach aber werden die Geräte bereits nach fünf Tagen aussortiert und neu sterilisiert, bevor sie wieder benutzt werden. Über einen Scanner wird zudem jedes Gerät erfasst und seine vorschriftsmäßige Sterilisation dokumentiert. "Das ist wichtig bei Haftungsfragen", sagt Schmitt.

Städtisches Klinikum: Chefarzt Wolfgang Schmitt zeigt stolz die neue Waschanlage im Klinikum Neuperlach.

Chefarzt Wolfgang Schmitt zeigt stolz die neue Waschanlage im Klinikum Neuperlach.

(Foto: Catherina Hess)

Das noch so keimfreie Endoskop nützt natürlich nichts, wenn kein Arzt da ist, der es kunstvoll zu führen versteht. Schmitt vermerkt voller Stolz, dass sie in Neuperlach bei frühen Tumoren am Mageneingang eine Methode anwenden, die nicht viele anbieten könnten. Die Methode heißt "Endoskopische Submukosadissektion" und ist, verkürzt gesagt, eine Möglichkeit, mittels eines elektrischen Messers und einer ebensolchen Schlinge beispielsweise einen Tumor zu entfernen, ohne dass der Patient eine offene Operation riskieren muss, bei der er zudem Teile seines Magens und der Speiseröhre verlieren würde.

Bei Wolfgang Schmitt ist die Angelegenheit im Normalfall in zwei Stunden erledigt, und der Klinikaufenthalt insgesamt ist auch kürzer, weil es ja keine Operationsnarbe gibt, die abheilen müsste. Und die Endoskope, die sind ja nun sowieso immer perfekt steril, dank der Neuperlacher Waschanlage.

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