Städtisches Klinikum:Aufbruchstimmung statt Hiobsbotschaft

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Der Blutspendedienst ist verkauft, in der Bilanz steht erstmals wieder ein Plus und mit dem Neubau in Schwabing wird der Sanierungsprozess des Stadtklinikums nun auch nach außen sichtbar. Doch noch längst sind nicht alle Probleme des kriselnden Konzerns gelöst - vor allem um die Personalkosten wird gerungen

Von Dominik Hutter

Es ist der Tag, auf den Axel Fischer seit langem sehnsüchtig gewartet hat: Spatenstich in Schwabing. Eine neue Kinderklinik. Aufbruch. Zukunft. Das ist wichtig in einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter in den vergangenen Jahren so viele Hiobsbotschaften verdauen mussten. Am Anfang, 2010 war das, stand der Hygiene-Skandal, der den einst tadellosen Ruf der städtischen Krankenhäuser ramponierte. Dann wurde ein Millionendefizit bekannt. In der Folge ging es mehrere Jahre lang um die Schließung oder Zusammenlegung von Abteilungen, um den Abbau von Arbeitsplätzen, Gehaltseinbußen, Bettenabbau, neue und schon wieder ausscheidende Geschäftsführer sowie Katastrophenszenarien, die von Kritikern des Sanierungskonzeptes an die Wand gemalt wurden.

Mit dem neuen Klinikgebäude an der Parzivalstraße, so hofft Klinik-Chef Fischer, wird der Sanierungsprozess endlich konkret sichtbar - als etwas, bei dem es um den Erhalt und die Zukunftsfähigkeit des städtischen Hauses geht, nicht um dessen Abwicklung. Es ist der erste Schritt eines auf viele Jahre angelegten Bauprogramms, dessen Bedeutung nach Meinung vieler Experten nicht zu unterschätzen ist. Zwar geht es bei der Rettung des finanziell angeschlagenen Unternehmens beileibe nicht nur um neue und schönere Häuser. Die Räumlichkeiten spielen aber eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit des gesamten Unternehmens - die alte, sehr weitläufige Anlage in Schwabing war schon vor Jahren in einem Gutachten als eigentlich hoffnungsloser Defizitbringer ausgemacht worden. Aber natürlich sind die Gebäude auch Voraussetzung dafür, die geplanten Veränderungen in den Stationen umsetzen zu können. Grundprinzip: Doppelstrukturen sollen vermieden, die Fachabteilungen durch Zusammenlegung schlagkräftiger gemacht werden. Dazu braucht es die passenden Räume.

Im Rathaus, aber auch in der Chefetage des Klinikums, herrscht deshalb große Sorge angesichts der Verzögerungen im Bauprogramm, die sich bereits jetzt abzeichnen: Wird der geplante Erweiterungsbau in Bogenhausen tatsächlich drei Jahre später fertig als geplant, hat dies auch Auswirkungen auf Schwabing. Denn aus dem Münchner Norden sollen diverse Abteilungen in den Osten umziehen. Das klappt aber nur, wenn genug Platz vorhanden ist. Im Sanierungsprozess gilt die Regel: Je länger sich alles hinzieht, desto länger ist auch mit neuen Defiziten zu rechnen. Ganz zu schweigen davon, dass sich Neubauten nur selten verbilligen, wenn sie später begonnen werden. Sowohl Fischer als auch sein Betreuungsreferent, Kämmerer Ernst Wolowicz, wollen deshalb unbedingt vermeiden, dass es in Bogenhausen allzu lange dauert. Die Kosten für das umfangreiche Bauprogramm gelten als maßgeblich für die finanzielle Gesundung des Klinikums.

Aber auch wenn alle Bauarbeiten so laufen sollten wie erhofft, drohen noch genügend Fallstricke. Im Rathaus hat es nie Zweifel gegeben, dass dem Klinikum und seinen Mitarbeitern ein schwieriger Weg bevorsteht - mit ungewissem Ziel. Das Konzept, das Klinik-Chef Fischer noch als Mitarbeiter bei Boston Consulting erstellt hat und das seitdem stetig weiterentwickelt wurde, gilt als äußerst ehrgeizig. Fischer warnt aber gerne vor Schwarzmalerei, für die es auch aus Sicht der Rathaus-Experten keinen Anlass gibt. Sonst hätten die Politiker wohl kaum immer wieder neues Geld für die derzeit noch fünf Häuser in Bogenhausen, Harlaching, Schwabing, Neuperlach und an der Thalkirchner Straße locker gemacht. Mehrere hundert Millionen Euro waren es seit der GmbH-Gründung 2005. Und das Bauprogramm kostet noch einmal rund eine dreiviertel Milliarde. Auf den Kosten bleibt allerdings nicht zu hundert Prozent die Stadt sitzen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist der Freistaat Bayern wesentlich beteiligt.

In Stein gemeißelt sind die Sanierungspläne keineswegs. Das Konzept wird immer wieder angepasst, die finanziellen Effekte können zumeist nur grob vorausgesagt werden. So ist auf dem Weg in die schwarzen Zahlen eigentlich ein finanzieller Beitrag von zwölf Millionen Euro aus der Belegschaft einkalkuliert, die Hälfte davon nur für die Dauer der Sanierungsphase. Bei den Verhandlungen über temporäre Gehaltseinbußen geht es aber kaum voran. Die Situation ist schon seit Monaten festgefahren, die Gewerkschaften wollen die Mitarbeiter nicht für die Managementfehler vergangener Zeiten büßen lassen. Es gilt inzwischen nicht mehr als ausgeschlossen, dass es niemals zum Abschluss eines Sanierungstarifvertrags kommt. Was gut ist für die Mitarbeiter und deren Motivation, aber schlecht für den Sanierungsprozess. Zwei Drittel aller laufenden Kosten des Klinikums sind Personalkosten. Im Laufe des Sanierungsprozesses soll fast jede vierte Stelle abgebaut werden. Der Stadtrat hat inzwischen eine Qualifizierungseinheit beschlossen, in der bis zu 400 Klinik-Mitarbeiter weitergebildet und an andere Stellen bei der Stadt vermittelt werden sollen. Das kostet noch einmal einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

Zu den betroffenen Kollegen zählen die Köche und Küchenhelfer - aus wirtschaftlichen Gründen wird das Essen künftig nicht mehr in den Häusern zubereitet, sondern von außen zugeliefert. Das spart unter anderem die Millionenkosten für die anstehenden Küchensanierungen. An Private vergeben will Fischer auch diverse Servicedienstleistungen, Hausmeister, Pförtner und Boten etwa. Seit dem Frühjahr ist zudem der städtische Blutspendedienst an der Dachauer Straße geschlossen. Die Abteilung war ein hoher Defizitbringer und galt als nicht sanierungsfähig. Übernommen hat das Bayerische Rote Kreuz, das allerdings keine feste Anlaufstelle unterhält, sondern zu fixen Terminen an wechselnden Adressen auftaucht. Als Auslaufmodell gilt auch der mächtige Bau der Dermatologischen Klinik an der Thalkirchner Straße. Diese Fachabteilung soll allerdings lediglich in andere Häuser verlegt werden und bleibt somit erhalten. Fischer will nur das Gebäude loswerden, in dem sich derzeit auch sein Büro befindet.

Dies alles soll das Klinikum dauerhaft in die schwarzen Zahlen führen. In diesem Jahr konnte Fischer bereits einen operativen Gewinn verkünden. Er ist mit 5,4 Millionen Euro zwar deutlich geringer als erhofft, zudem spielt der Verkauf von Grundstücken eine maßgebliche Rolle. Ein Erfolg ist diese Summe trotzdem: 2012, auf dem Höhepunkt der Krise, standen noch 79 Millionen in den Büchern. Minus.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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