Stadtwerke München:Pikante Geldgeschäfte

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Risikofreudig oder naiv? Die Münchner Stadtwerke verlangen Schadenersatz von einer Bank. (Foto: Robert Haas)

Die Stadtwerke fordern von der Nomura-Bank 1,1 Millionen Euro Schadenersatz, weil sie sich falsch beraten fühlen. Womöglich ging das städtische Unternehmen mit den Finanzinstrumenten aber auch ein zu hohes Risiko ein.

Von Katja Riedel, München

Es soll eine eher kurze Verhandlung gewesen sein, zu der sich die Stadtwerke München (SWM) Anfang August im Justizgebäude am Münchner Lenbachplatz mit den Anwälten der japanischen Nomura-Bank trafen. Es ging nach Informationen der Süddeutschen Zeitung um eine pikante Angelegenheit: um spekulative Zinsderivate - Finanzinstrumente, die das Risiko von Zinsschwankungen absichern sollen, die selbst aber auch nicht ohne Risiko sind.

Die SWM haben die japanische Bank mit Sitz in London auf 1,1 Millionen Euro Schadenersatz verklagt, weil sie sich falsch beraten fühlen. Ein Vorwurf, den die Bank vor Gericht zurückgewiesen hat. Den Streitwert hat das Gericht auf elf Millionen Euro angesetzt. Eine ähnliche Summe, 11,7 Millionen Euro, findet sich im Anhang zum SWM-Geschäftsbericht 2013: als Rückstellung für mögliche Verluste aus Finanz- und Zinsgeschäften.

Erinnerung an Schuldenberg in Landsberg am Lech

Pikant ist die Angelegenheit auch deshalb, weil der Kämmerer der Landeshauptstadt, Ernst Wolowicz, sich im Juni dieses Jahres sehr weit aus dem Fenster gelehnt hatte: Anders als einige wegen Millionenverlusten in die Schlagzeilen geratene Kommunen, etwa Landsberg am Lech, agiere München strikt nach den Vorgaben des bayerischen Innenministeriums. Diese lassen zwar Finanzgeschäfte zur Zinssicherung zu, nicht aber Risikogeschäfte zur Gewinnorientierung. Nach dem Landsberger Finanzskandal, wo Stadt und Stadtwerke etwa sechs Millionen Euro verloren haben, hatte sich das Innenministerium mit den kommunalen Finanzgeschäften beschäftigt.

Allerdings hatte die Anfrage, die der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Ludwig Hartmann, gestellt und die das Ministerium zu der Recherche veranlasst hatte, ein Manko: Kommunale Beteiligungen wurden nicht mit abgefragt. Darum tauchten die Stadtwerke München, eine GmbH, mit der Stadt als einzigem Gesellschafter, nicht unter den 188 Namen auf, die auf Zinsen gewettet hatten. Die Stadt München selbst war dort mit einigen Finanzgeschäften zu finden, hatte aber keine Verluste gemacht. Sie gehörte damit nicht zu den 19 bayerischen Städten und Gemeinden, die bei riskanten Geschäften insgesamt 27,4 Millionen Euro verzockt haben.

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:Strom für den Süden mit Wind aus dem Norden

Keine andere Millionenstadt steckt ihre Ziele so hoch: Bis 2025 soll Münchens kompletter Strombedarf aus regenerativen Energien erzeugt werden. Die Stadtwerke investieren dafür 1,2 Milliarden Euro in einen Windpark - in der Nordsee.

Von Katja Riedel

Möglich, dass das Risiko zu hoch war

Ob das Risiko von etwa zehn Derivatsverträgen der städtischen Tochter SWM mit der Nomurabank zu hoch ist und die Stadtwerke damit gegen die Vorgaben verstoßen haben, scheint zumindest möglich. Als die SWM Ende 2013 aufgrund des politischen Drucks nach dem Landsberger Skandal ihre Finanzgeschäfte einem Fachjuristen vorlegten, riet dieser dazu, diese tunlichst loszuwerden. Es seien ungeeignete Produkte, so der Jurist.

Die Bank habe den SWM Geschäfte empfohlen, die möglicherweise untauglich sein könnten. Es soll sich dabei nicht um die besonders spekulativen Geschäfte mit Fremdwährungen handeln, sondern um sogenannte Payer Swaps. Das sind durchaus gängige Instrumente, die auch Kommunen nutzen. Bei den Stadtwerken hat sich jedoch nach der Prüfung die Meinung zu Zinsderivaten dieser Art geändert. Wer Schuld daran trägt, dass die SWM die Verträge überhaupt abgeschlossen haben, ist nun Gegenstand des Rechtsstreits mit der Bank geworden.

Ob die SWM dabei Geld verloren haben, ist nach SZ-Informationen noch unklar; mindestens einer der Verträge soll sogar Gewinn abgeworfen haben. Die vier Verträge, welche die SWM nun rückabwickeln wollen, laufen noch, die Zinsen schwanken täglich. Einfach verkaufen können die Stadtwerke sie nicht, weil sie dann Verluste machen würden. Bei sechs weiteren Verträgen mit Nomura hatte die Bank vor der Klage das Geschäft rückgängig gemacht.

Nächster Gerichtstermin ist im Januar

Zu dem Rechtsstreit wollen sich weder die SWM noch die Nomura-Bank äußern. Ein zweiter Termin vor Gericht ist erst für Januar angesetzt. Doch ob es dazu noch kommt, ist unklar. Während der ersten Verhandlung soll die Richterin den Stadtwerken geraten haben, sich außergerichtlich zu vergleichen. Die Chancen auf einen Erfolg der Klage stehen schon deshalb schlecht, weil die SWM ein großes Unternehmen sind, das Milliardenumsätze erzielt und ebensolche Investitionen stemmt. Hier auf Naivität und schlechte Beratung zu pochen, hielt das Gericht offenbar für wenig glaubwürdig.

Zudem gehören Zinswetten bei den SWM zum Alltag, was sich auch im Geschäftsbericht des Unternehmens wiederfindet. Der Einsatz von Derivaten diene dem Ziel, das im Grundgeschäft vorhandene Zins- und Währungsrisiko zu mindern, Cashflows zu verstetigen und sich gegen steigende Zinszahlungen abzusichern, heißt es im Risikobericht.

2010 und 2011 etwa haben die Stadtwerke demnach lang laufende Kredite zwischen sieben und 20 Jahren abgeschlossen, in einer Höhe von 1,5 Milliarden Euro, um die Investitionen in die Erneuerbare-Energien-Projekte zu stemmen. "Mittels unterschiedlicher Derivate" seien diese günstigen Finanzierungsbedingungen gesichert worden. 90 Prozent des Finanzierungsvolumens seien auf diese Weise gegen steigende Zinsen geschützt.

© SZ vom 01.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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