Stadtverwaltung:KVR muss wegen Überfüllung schließen

Stadtverwaltung: Warten im Sitzen macht zwar nicht mehr Spaß, ist aber angenehmer als im Bürgerbüro am Ostbahnhof Stunden zu stehen.

Warten im Sitzen macht zwar nicht mehr Spaß, ist aber angenehmer als im Bürgerbüro am Ostbahnhof Stunden zu stehen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Rund um den Dreikönigstag nutzen viele Münchner die Gelegenheit für einen Behördengang.
  • Den großen Andrang können das Kreisverwaltungsreferat und die Bürgerbüros nicht bewältigen und geben von Mittag an keine Wartenummern mehr aus.
  • Zudem sorgt das neue Bundesmeldegesetz für zusätzliche Arbeit: Eine Online-Anmeldung geht nicht mehr. Wer an eine neue Adresse gezogen ist, muss persönlich vorsprechen.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Frieren muss hier niemand, im Gegenteil: Die Temperatur im Wartesaal des Bürgerbüros am Orleansplatz hat längst sommerliche Höhen erreicht. Fast alle Menschen, die auf den Bänken, den Fensterbrettern oder auf dem Fußboden sitzen, haben ihre Jacken abgelegt. Auch diejenigen übrigens, die nur einen Anlehnplatz an der Behördenwand ergattert haben.

Fingerkuppen huschen über Smartphones, Augen über Zeitungs- und Buchseiten. Manche haben sie einfach geschlossen und ertragen die Stunden, bis ihre Nummer auf einem Bildschirm aufploppt, stoisch mit einem Nickerchen. Nicht so Ralph Antesberger, der entnervt abwinkt und kehrt macht. "Die Stadt München kannst du vergessen. Das ist doch ein Witz", schimpft er vor sich hin. Drei Stunden lautete seine Prognose. "Ich ziehe bald wieder aufs Land. Da gehst auf die Gemeinde, und in einer Viertelstunde bist fertig."

Dabei hat Antesberger noch Glück gehabt. Denn als er gegen zwölf Uhr am Bürgerbüro ankommt, ist es wegen Überfüllung bereits geschlossen. Offiziell hat es am Donnerstag bis 15 Uhrgeöffnet. "Ich bin nur reingekommen, weil der Wachmann vielleicht auf dem Klo war."

"Jedes Mal brauche ich einen Urlaubstag"

Schon am Vormittag werden Besucher nur stoßweise in das Gebäude gelassen. Blockabfertigung wie vor Autobahntunnels. Sascha Bestlein ist mit Frau und zwei Kindern bereits zum dritten Mal angerückt, um sich neue Reisepässe ausstellen zu lassen. "Jedes Mal brauche ich einen Urlaubstag. Langsam wird es knapp", sagt er draußen auf dem Bürgersteig. Sauer, aber irgendwie auch gefasst wie die meisten, die sich offenbar mit den KVR-Problemen irgendwie arrangiert haben. Weil ihnen nichts anderes übrig bleibt.

Die Frau vor ihm in der Schlange lässt ihren Frust dagegen voll raus. "Reine Verarsche ist das, zum Kotzen", sagt sie. Schon vor den Feiertagen hat sie es versucht, und auch da wieder gehen müssen. Wegen Überfüllung. "Für was zahlen wir eigentlich Steuern? Dann müssen sie halt Leute einstellen."

Frustrierte Münchner vor den Büros des Kreisverwaltungsreferats gehören seit vergangenem Sommer zum Alltag . Neben der Filiale am Ostbahnhof müssen am Donnerstag auch die KVR-Zentrale an der Ruppertstraße sowie sämtliche anderen Bürgerbüros in den Stadtvierteln wegen Überfüllung schließen. Wie übrigens auch schon am Dienstag vor Dreikönig - zahlreiche Behördengänger sind unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt worden, weil die KVR-Mitarbeiter mit dem Bearbeiten der vielen Anträge nicht mehr nachkamen und daher vorzeitig die Ausgabe der Wartenummern einstellten. Viele davon dürften es am Donnerstag erneut versucht haben.

Warum die Behörden überlastet sind

Schuld an dem Dilemma ist nach Auskunft von KVR-Sprecherin Daniela Schlegel der hohe Andrang zum Ferienende - viele Münchner hätten wohl noch rund um den Dreikönigstag frei gehabt und die Gelegenheit für einen Behördengang genutzt. Zudem sorge das neue Bundesmeldegesetz für zusätzliche Arbeit. Seit November gibt es die bequeme Online-Anmeldung nicht mehr. Wer an eine neue Adresse gezogen ist, muss persönlich beim Kreisverwaltungsreferat vorsprechen und außerdem eine schriftliche Bestätigung des Vermieters vorlegen.

Stadtverwaltung: Frieren muss hier niemand, im Gegenteil: Die Temperatur im Wartesaal des Bürgerbüros am Orleansplatz hat längst sommerliche Höhen erreicht.

Frieren muss hier niemand, im Gegenteil: Die Temperatur im Wartesaal des Bürgerbüros am Orleansplatz hat längst sommerliche Höhen erreicht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Viele Münchner wissen das noch nicht, sie versuchen es zunächst per Post, die Verwaltung muss dann reagieren. Oder aber sie erfahren erst im Bürgerbüro, welche Papiere sie dabei haben müssten. Hintergrund der verschärften Bestimmungen sind Klagen der Sicherheitsbehörden über "Scheinanmeldungen" an falscher Adresse, die gerne für Kreditkartenbetrug genutzt wurden. Dies soll durch die persönliche Vorsprache erschwert werden.

Personal in den Behörden muss erst angelernt werden

Im Rathaus schon beinahe sprichwörtlich ist allerdings auch der Personalmangel in den kommunalen Behörden. Der Stadtrat hat dem KVR im Juli 70 neue Stellen gegönnt. Die sind zwar nach Auskunft Schlegels inzwischen überwiegend besetzt - viele Neulinge müssen aber erst noch geschult werden. Da in den wegen des Publikumsverkehrs oftmals stressigen Bürgerbüros obendrein eine hohe Fluktuation herrscht, sind längst nicht alle Bürostühle besetzt.

Dazu kommen lästige Computerprobleme, die städtische IT fällt immer wieder mal aus. So mussten am 15. Dezember wegen eines Computer-Totalausfalls die Bürgerbüros dichtgemacht werden, kurz nach Weihnachten folgte eine Zwangspause in der Ausländerbehörde.

Auch am Donnerstag fällt die Computeranzeige an der Orleansstraße kurzfristig aus, auf der die Wartenummern aufscheinen, erzählt eine Frau im Saal. Gegen 12.30 Uhr stehen dort Zahlen zwischen 150 und 160. Familienvater Bestlein hat Hoffnung, wegen der Kinder schneller dranzukommen. Er hat eine Nummer weit über 300. "Das ist der Wahnsinn", seufzt er. "Aber es hilft ja nichts."

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