Stadtteilzentrum:"Am Rande der Seriosität"

Fraktionen verurteilen die Patrizia für das abgesagte Bauvorhaben in Freiham

Von Heiner Effern

Der geplatzte Bau des Stadtteilzentrums in Freiham sorgt für politischen Zündstoff. Die CSU ist stinksauer, die Grünen sind zumindest unglücklich und die FDP fordert den Rücktritt von Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD). "Ein absoluter Skandal, einfach unglaublich. Das ist das zweite Totalversagen nach dem Bau der Großmarkthalle in wenigen Wochen", sagt FDP-Fraktionschef Michael Mattar. Der Referent solle "endlich seinen Hut nehmen". Aber auch die Patrizia Immobilien AG, die zuerst den Zuschlag für den Bau des riesigen Zentrums im neuen Stadtteil Freiham erhalten hatte, diesen aber nun nicht wahrnehmen will, erntete herbe Kritik. "Am Rande der Seriosität" bewege sich das Augsburger Unternehmen, sagte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl.

Anfang September hatte die Patrizia der Stadt erklärt, dass sie das Grundstück im Norden Münchens nicht erwerben und auch kein Stadtteilzentrum dort bauen werde. Geplant sind vier Gebäude als Tor zur Stadt, von denen eines 16, ein anderes 14 Stockwerke erhalten soll. Im Erdgeschoss sollen auf gut 20 000 Quadratmeter kleinteilig Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleister unterkommen. Dazu sollen 350 Wohnungen entstehen. Allein der Grundstücksdeal ohne die Gebäude soll sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. "Die Verhandlungen darüber mit der Stadt München konnten allerdings nicht erfolgreich abgeschlossen werden", erklärt die Patrizia schriftlich. Gründe dafür seien die "Beteiligungsstruktur" und "Rechtsunsicherheiten". Mögliche Klagen wegen des Bieterprozesses hätten zu Verzögerungen "und im schlimmsten Fall sogar zu einer Rückabwicklung führen" können.

Nicht nur die Patrizia, auch Münchner Stadträte äußern sich vernichtend über das Vorgehen des Kommunalreferats. "Zuerst zwingt es den Stadtrat, sich für Patrizia zu entscheiden, dann stellt sich heraus, dass die Patrizia nur als Strohmann für andere Investoren dienen sollte", sagt FDP-Fraktionschef Mattar. Die Patrizia soll versucht haben, das ganze Projekt direkt an einen weiteren Investor weiterzugeben, ohne das eigene Kaufangebot wahrzunehmen. Sie suchte wohl auch vergeblich einen Co-Investor. Mattar erinnert aber auch daran, dass der Stadtrat vor wenigen Wochen die teuren Baupläne des Kommunalreferats für die Großmarkthalle einkassiert und das Projekt lieber an einen privaten Investor vergeben habe.

Auch CSU-Stadtrat Johann Sauerer fühlt sich zumindest wegen Freiham verschaukelt. "Das ist eine Katastrophe. Im Jahr 2021, wenn die Leute einziehen, haben wir keine Nahversorgung dort." Das Kommunalreferat habe eine saubere "Blamage" hingelegt. Die städtische Kommission, die sich für Patrizia entschieden hat, habe viel zu spät erfahren, dass die anderen beiden Bewerber gar keine rechtsgültigen Angebote vorgelegt hätten. Diese hätten trotzdem ihre Konzepte vorstellen dürfen, und diese seien besser gewesen als die Patrizia-Pläne. Der gleiche Vorwurf kommt auch von der FDP. "Selbstherrlich" habe das Kommunalreferat die nicht plausiblen Pläne der Patrizia durchgedrückt, sagt Stadträtin Gabriele Neff..

Auch die Grünen finden die Auswahl und das Prozedere von Markwardt "nicht besonders glücklich", sagt Stadtrat Herbert Danner. Das Kommunalreferat habe sich "fixiert" auf die Patrizia, obwohl ein Konkurrent ein besser passendes Konzept vorgelegt habe. Das Hauptübel sieht er wie die SPD aber im Investor. "Das ist starker Tobak, sich zu bewerben, und wegen missglückter Deals mit Dritten das ganze Bauvorhaben scheitern zu lassen."

Das nervt auch SPD-Fraktionschef Reissl. Nicht der eigene Referent Markwardt sei schuld, sondern das hochkomplizierte Verfahren und ein Investor, der wohl bewusst einen zu hohen Preis geboten habe und sich nun übernommen habe. Markwardt selbst erklärte schriftlich nur, dass die Stadt den Rückzug von Patrizia bedauere. Das Vergabeverfahren sei von einer renommierten Kanzlei abgesegnet worden. In einer internen Beschlussvorlage erwähnt er sogar mögliche Schadenersatzforderungen der Stadt gegenüber Patrizia und einem weiteren Bieter, der mit rechtlichen Drohungen möglicherweise zum Scheitern des Projekts beigetragen habe. Offiziell prüft das Kommunalreferat nun, wie es weitergehen soll. Im Stadtrat rechnet man mit einer Verzögerung von eineinhalb bis zwei Jahren.

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