Stadtratsmehrheit beschließt "Entnennung":Eine Frage der Ehre

"Eine Herabwürdigung": Die Meiserstraße wird umbenannt und heißt nun Katharina-von-Bora-Straße.

Monika Maier-Albang

Der Punkt steht schon als vierter auf der Tagungsordnung. Doch so zügig, wie OB Christian Ude dies gern hätte, geht die "Neubenennung der ehemaligen Meiserstraße" am Mittwoch im Stadtrat nicht über die Bühne. Es sei heute der neue Name zu behandeln, nicht "frühere Stadtratsbeschlüsse", lässt Ude wissen.

"Ich habe den Hinweis verstanden, werde ihn aber nicht akzeptieren können", hält Klaus Bäumler, Vorsitzender des Bezirksausschusses (BA) Maxvorstadt dagegen und hebt zu "drei Vorbemerkungen" dazu an, warum der BA sich bei der Namensänderung übergangen fühlt. Eine Stunde wird diskutiert. Am Ende wird beschlossen, was sich seit Tagen abgezeichnet hatte: Die Meiserstraße heißt künftig nach der Frau Martin Luthers "Katharina-von-Bora-Straße".

Im vergangenen Sommer hatte der Stadtrat mit der Mehrheit von SPD und Grünen für die "Entnennung" jener Straße votiert, die seit 1957 den Namen des verstorbenen evangelischen Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) trug. Meiser sei "ein großer Repräsentant des Antisemitismus der 20er Jahre" gewesen, welcher unmittelbar in die Nazi-Zeit mündete, erklärt Ude nochmal den damaligen Mehrheitsbeschluss. Losgetreten aber habe die Kirche die Debatte mit der Umbenennung des Meiser-Hauses der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau.

Für den Namen "Katharina von Bora" stimmen schließlich SPD, Grüne/Bündnis 90 sowie Brigitte Wolf von den Linken. Dagegen votieren CSU, FDP und Mechthild von Walter (ÖDP). CSU-Chef Hans Podiuk hatte vergeblich eine Vertagung beantragt, um die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuwarten.

Eine Frage der Ehre

Die Famile Meisers klagt dort gegen die Umbenennung, die aus ihrer Sicht das "postmortale Persönlichkeitsrecht" von Hans Meiser verletzt. "Ihr gute Recht", sagt Podiuk. "Eine größere Herabwürdigung als eine Straßenentnennung gibt es nicht." Wenn die Stadt nun so tue, als sei dies nicht der Fall, sei dies "eine glatte Lüge".

Was Meiser betrifft, sind die Fronten zwischen den Parteien klar. Übergreifend einig ist man sich indes, dass der neue Name bestenfalls eine Notlösung ist. Der Vorschlag stammt vom Münchner Dekanat; die Landeskirche hatte sich mit dem Argument, man sei schließlich gegen die Umbenennung, aus der Namensfindung herausgehalten. Mechthild von Walter hält den neuen Namen für eine "halbherzige Entscheidung".

Sie hätte sich eine Dietrich-Bonhoeffer-Straße oder eine Dorothee-Sölle-Straße gewünscht. Grünen-Chef Siegfried Benker, der seit 1999 für die Umbenennung kämpft, hätte ebenfalls Bonhoeffer favorisiert. Doch: "Ziel war die Umbenennung, kein Konflikt mit der Kirche." Und Constanze Lindner-Schädlich (SPD) ist froh, dass "nun alles zu einem gutem Ende kommt".

Das sieht Meisers Enkel, Hans-Christian Meiser, anders. Die Stadt habe einen "unwürdigen Hinrichtungsprozess" gegen seinen Großvater geführt. Dass der kein Antisemit war, will er nun in einem Buch belegen. Der Landeskirche hat er ebenfalls mit Klage gedroht - für den Fall, dass sie die Gedenktafel so wie vorgesehen anbringt.

Die Tafel, sagt Meiser, stelle den Großvater "dem Duktus nach als Nazibischof" dar. Zudem sei sie handwerklich dilettantisch gemacht. Die Zeit, die Meiser in Hausarrest verbrachte, ist mit drei Wochen angegeben - tatsächlich betrug sie zwei Wochen. Und ein Foto, das Meiser auf dem Balkon seines Hauses "im Hausarrest" zeigt, datiert auf den 16. September 1934. Tatsächlich begann Meisers Arrest am 12.Oktober 1934. Die Landeskirche erklärt dazu, man werde die Tafel von einem Historiker überarbeiten lassen.

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