Stadtrat:OB Reiter warnt: Bis 2020 hat München 2,4 Milliarden Euro Schulden

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Mahnende Worte: Oberbürgermeister Dieter Reiter warnte die Stadträte vor der steigenden Verschuldung und forderte dazu auf, sich an die Haushaltsdisziplin zu halten. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Angesichts hoher Ausgaben hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter Verwaltung und Bürger auf einen strikten Sparkurs vorbereitet.
  • Es müssten Prioritäten gesetzt und Projekte abgespeckt, verschoben oder komplett gestrichen werden.
  • Die Stadt werde Darlehen in Millionen-, vielleicht sogar Milliardenhöhe aufnehmen müssen.

Von Dominik Hutter

Haushaltsdebatten bieten Anlass zur Grundsatzkritik, und so nimmt der Redner im Großen Sitzungssaal kein Blatt vor den Mund: Es gelte, endlich Prioritäten zu setzen und auch einmal auf etwas zu verzichten. Jeder im Stadtrat rede vom Sparen, aber wenn es zum Schwur komme, habe niemand einen Vorschlag parat. Stattdessen werde der Haushalt entgegen dem selbst gefassten Mäßigungsbeschluss ständig immer noch weiter aufgebläht. "Es zeigt sich heute einmal mehr: Der Haushalt ist kein Wunschkonzert, sondern ein Plan, an den es sich zu halten gilt." Die finanziellen Spielräume seien endlich, eine Neuverschuldung unvermeidlich.

Der Mann, der da am Mikrofon die schärfste Oppositionsrede hält, heißt Dieter Reiter. Der Oberbürgermeister, in früheren Zeiten Stadtdirektor in der Kämmerei, nutzt die Gelegenheit, um mit scharfen Worten die Ausgabenpolitik des Stadtrats und der städtischen Referate zu attackieren. Die selbst auferlegte Haushaltsdisziplin "ist uns leider gar nicht gelungen". Bis 2020 sei eine Verdreifachung der Schulden zu erwarten: auf dann 2,4 Milliarden Euro.

München laufe Gefahr, sich "für die kommenden Jahre und Jahrzehnte die Luft abzuschnüren". Reiter will nun Stadträte wie Referenten an die Kandare nehmen: Künftig landen Beschlussvorlagen, mit denen der Haushalt zusätzlich aufgebläht wird, nur noch dann auf der Tagesordnung, wenn plausibel begründet wird, dass die Entscheidung zwingend auf der Stelle getroffen werden muss. "Das ist keine schöne Maßnahme, aber notwendig, um uns finanzielle Spielräume zu erhalten." Punkt.

Wie die aktuelle Lage ist

Selbstkritik ist nicht der Regelfall in Haushaltsreden, und so stieß die wortreiche Mahnung des Oberbürgermeisters in der Plenumsdebatte am Dienstag durchaus auf Erstaunen. Zumal die Zahlen für 2017 noch gar nicht so schlimm aussehen: Nach wie vor kommt München ohne Schulden aus, Kämmerer Ernst Wolowicz rechnet mit weiter steigenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer, mit gut 2,5 Milliarden Euro. Nur: Mit insgesamt 7,5 Milliarden Euro, die Investitionen schon inklusive, gibt München fast 300 Millionen Euro mehr aus, als es einnimmt - das ist nur deshalb kein Problem, weil die Stadt ein Finanzpolster hat, das derzeit Jahr für Jahr kleiner wird.

Die Tendenz ist es, die Wolowicz Sorgen macht. Auf Dauer gehe das so nicht weiter. Zumal es, und das findet der Kämmerer so alarmierend, "in Zeiten geschieht, in denen das Geld nicht zu knapp in die Stadtkasse fließt". Da hilft wohl, so Wolowicz in Erinnerung an den verstorbenen Leonard Cohen, nur "Waiting For The Miracle": Schulden machen. Was aber rechtlich nur möglich ist, wenn alle Rücklagen verbraucht sind und genug Geld für Zinsen und Tilgung zur Verfügung steht. Und wenn die Kredite allein für Investitionen ausgegeben werden. Kommunen ist es verboten, Löcher im Verwaltungshaushalt auf Pump zu stopfen.

Auch im gescholtenen Stadtrat verschwammen bei dieser Plenumssitzung die Grenzen zwischen Regierung und Opposition, Partnern und Gegnern. Die SPD, die Partei des Oberbürgermeisters, ist jedenfalls gar nicht einverstanden mit dem Alarmismus, der aus den Worten Reiters und Wolowiczs herauszuhören war. Zeit für eine Trendwende? "Warum?", fragt sich SPD-Finanzsprecher Hans Dieter Kaplan, der die städtischen Finanzen als durchaus solide einstuft.

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Auf fünf Jahre gerechnet, habe München mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Das gelte es zu verstetigen. "In einer wachsenden Stadt müssen die investiven Ausgaben steigen", mahnt Kaplan. Das Polster sei noch recht komfortabel, niemand könne sich auf alle Eventualitäten (Gewerbesteuereinbruch) vorbereiten. Überhaupt sei München schon immer deutscher Meister im Investieren gewesen, auch zu den Zeiten von Rot-Grün.

Das zielte auf Michael Kuffer von der CSU ab, mit dem die Sozialdemokraten eigentlich in einem Bündnis verbunden sind. Kuffer findet, dass erst die CSU die Münchner Finanzpolitik wieder in richtige Bahnen gelenkt habe, dass es einen riesigen, von Rot-Grün ererbten Investitionsstau abzuarbeiten gilt. Diese Einschätzung passt weder der SPD noch den Grünen - deren Finanzsprecherin Katrin Habenschaden denn auch eine Lanze brach für die rot-grüne Ära.

Für wichtige Projekte wie den Bildungscampus Freiham könne keineswegs die CSU das Urheberrecht beanspruchen. Anderes, wie der Bau von Radschnellwegen oder die Tram-Westtangente, würde hingegen verschleppt. Habenschaden verglich die schwarz-rote Investitionspolitik mit einem "riesigen Hochhaus auf dünnen Stelzenbeinen".

Beschlossen werden soll der Haushalt für 2017 erst im Dezember. Reiter rechnet durchaus noch mit der "einen oder anderen Reiberei" bei der überfälligen Prioritätensetzung. Schon die wichtigsten Schwerpunkte, Wohnen und die Schulbauoffensive, bedeuteten in den kommenden Jahren Ausgaben in Milliardenhöhe. "Und da ist noch kein Tunnel gebaut, kein Theater eröffnet und keine U-Bahn erweitert."

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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