Stadtrat:Der Frust der Helfer

Bericht über ehrenamtliches Engagement sorgt für Streit

Von Melanie Staudinger

"Ich gehe nicht mehr wählen, es bietet sich ja keine Partei an, die meine Interessen wahrnimmt" - diese Aussage bekommt Thomas Lechner von der Initiative "Gemeinsam für Menschenrechte und Demokratie" immer wieder zu hören, wie er in seiner Stellungnahme an Münchens Stadträte schreibt. "Ich bin wütend auf die Mogelpackung Integration", zitiert Elif Beiner, Ehrenamtskoordinatorin beim Münchner Flüchtlingsrat, eine Freiwillige. Verärgerung, Frust und am Ende sogar eine Abkehr vom Engagement - viele Münchner Ehrenamtliche sind enttäuscht von den Rahmenbedingungen, mit denen sie sich bei ihrer freiwilligen Tätigkeit konfrontiert sehen. Und so hat der Fachbeirat für Bürgerschaftliches Engagement in seinem aktuellen Bericht am Dienstag deutliche Worte an Politik und Verwaltung gerichtet - und musste dafür in der gemeinsamen Sitzung mehrerer Stadtratsausschüsse heftige Kritik einstecken.

In ihrem Vortrag beklagten Caritas-Geschäftsführer Norbert J. Huber und Klaus Grothe-Bortlik, Geschäftsführer des Selbsthilfebeirats, dass die Stadtverwaltung sich mehr und mehr in die Tätigkeit von freien Trägern und Ehrenamtlichen einmischen würde. Sie wünschen sich weniger Überregulierung, weniger Einmischung und mehr Entgegenkommen seitens der Politik. Diese Pauschalforderung "an die Politik" aber kam im Stadtrat weniger gut an. Zu allgemein sei diese Kritik gehalten, monierte etwa der SPD-Sozialexperte Christian Müller. Mit mehr als vier Millionen Euro unterstütze die Stadt jährlich das bürgerschaftliche Engagement, nicht eingerechnet seien dabei die Zuschüsse an Jugendverbände und Sportvereine. "Wir versuchen, alles zu ermöglichen, was auch geht", sagte CSU-Bildungspolitikerin Beatrix Burkhardt.

Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) erklärte: "Was mich stört, ist das latente Misstrauen gegen städtische Institutionen und die Politik, das im Bericht durchschimmert." Noch nie hätten Initiativen und Verbände so viel Mitsprache gehabt wie heute. Dass Ehrenamtliche sich durch die Politik gar behindert fühlten, könne sie nicht nachvollziehen, sagte Strobl. Zumal die Stadt etwa an der rigorosen Asylpolitik des Freistaats, die die Flüchtlingshelfer so stört, nur wenig ändern könne. Caritas-Geschäftsführer Huber deutete die Kritik positiv: Eine so breite Diskussion über das Ehrenamt gebe es sonst im Stadtrat nur selten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: