Stadtpolitik:Josef Schmid ist erfolgreich gescheitert

Stadtpolitik: Wiesnchef: Josef Schmid beim Presserundgang auf dem jüngsten Oktoberfest.

Wiesnchef: Josef Schmid beim Presserundgang auf dem jüngsten Oktoberfest.

(Foto: Stephan Rumpf)

Trotz seiner Niederlagen gegen Ude und Reiter ist der Allacher Jurist weit gekommen: Er hat die CSU zur Großstadtpartei und zur stärksten Fraktion im Rathaus gemacht.

Von Dominik Hutter

Am Montagabend hat er das finale Gespräch mit seiner Frau Natalie geführt. Dann ging es durch die CSU-Ortsverbände im Münchner Westen, am Mittwochmorgen waren Fraktion und Oberbürgermeister an der Reihe. Josef Schmid will gehen. Um nach mehr als 15 Jahren im Stadtrat, sieben davon als Fraktionsvorsitzender, noch einmal etwas Neues zu machen. Das klingt zunächst schlüssig. Dennoch ist der Wechsel des einst so überzeugten Kommunalpolitikers keineswegs nur ein euphorischer Aufbruch in neue Sphären. Es ist auch der Abschied von einem lang gehegten Traum. Und der spielte stets auf der kommunalen Ebene.

Schmid ist weit gekommen im Rathaus, hat die CSU auf Großstadtkurs getrimmt und sie schließlich in die Rolle der stärksten Fraktion und in die Regierungsverantwortung geführt. Oberbürgermeister aber ist er nicht geworden, obwohl er das unbedingt wollte und den damaligen Neuling Dieter Reiter 2014 sogar in die Stichwahl gezwungen hat. Danach, das war nicht zu übersehen, lief es bei Schmid weniger rund. In seinem Büro machten sich Ernüchterung und Frustration breit, die großen politischen Initiativen des neuen Bürgermeisters blieben aus oder verebbten. Schmid hat sich verzettelt, lautet eine politische Weisheit, die auf den Rathausfluren oft zu hören ist.

An mangelndem Fleiß oder Ehrgeiz kann das nicht liegen. Der Sohn eines Allacher Metzgers ist mit Feuereifer Politiker und Bürgermeister, und auch um das Amt des Wirtschaftsreferenten kümmert er sich gewissenhaft. So gewissenhaft, dass in den vergangenen Jahren oft eher die Rolle des Verwaltungsmanns als die des Politikers im Vordergrund stand. Das ist wohl unausweichlich, wirkt aber eben wie ein Korsett. Die Personalunion zwischen Bürgermeister und Behördenchef kann auch einen engagierten Mann ausbremsen. Weil es einfach irgendwann zu viel wird, wenn man auf zwei Stühlen sitzt.

Schmid hat sich aus einem sehr politischen Motiv heraus dafür entschieden, zusätzlich Wirtschaftsreferent zu werden. In einem Fachreferat lassen sich leichter politische Akzente setzen, Initiativen starten, man kann sich zuarbeiten lassen. Und Vorgänger Dieter Reiter hat ja vorexerziert, wie hilfreich der Posten des Wiesn-Chefs ist, der stets für Schlagzeilen und nette Bilder sorgt.

Nur: Reiter war damals nicht nebenher noch Zweiter Bürgermeister. Die drei Rathauschefs haben umfassende eigene Aufgabengebiete, sie müssen politische Themen betreuen und Sitzungen leiten. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Repräsentationspflichten. Den Sitzungen der eigenen Fraktion. Den Runden mit dem Bündnispartner. Schmid hat das alles gemacht. Und konnte derweil nicht so viel politisch gestalten, wie er es sich wahrscheinlich ursprünglich vorgestellt hat. Das macht nicht jeden Tag Spaß.

Legendäre Scharmützel mit OB Dieter Reiter

Leicht hat er es ohnehin nicht gehabt. Die ständigen Scharmützel zwischen den Büros Reiter und Schmid sind im Rathaus legendär. Nur selten wirklich großer Knatsch, aber immer wieder Eifersüchteleien und Sand-ins-Getriebe-Streuen. Als Schmid einst beim Thema Flüchtlinge den Urlaub des Oberbürgermeisters ausnutzte, um eigene Akzente zu setzen, reagierte Reiter mit großer Wucht und wies seinen Stellvertreter öffentlich zurecht. Die beiden haben einst einen OB-Wahlkampf gegeneinander geführt, ein gewisser Dualismus ist daher auch in einem Bündnis unumgänglich. Allerdings war der ungleiche Kampf schnell entschieden. Gegen einen direkt gewählten Oberbürgermeister, der obendrein oberster Chef der Stadtverwaltung ist, kommt ein vom Stadtrat bestellter Stellvertreter nicht an. Institutionell zumindest. Und Reiter ließ ja kaum eine Gelegenheit aus, um klarzustellen, wer der Boss im Hause Marienplatz 8 ist.

Schmid wurde oft ganz bewusst ausgebremst. Was vielleicht auch an einem gewissen Hang für populistische Ideen lag: der Bierpreisbremse für die Wiesn zum Beispiel, bei der der Koalitionspartner Schmid nach allen Regeln der Kunst ins Aus manövrierte. Die Initiative war als großer politischer Aufschlag gedacht, und sie schaffte es ja auch, Schmid bundesweit Aufmerksamkeit zu verschaffen. So weit war sie durchaus ein Erfolg. Wiesn, Bier, ein bisschen Sozialneid auf die Wirte - das Bürgermeisterbüro konnte sich des Interesses der Medien gewiss sein, die gerne mit einfachen, dafür aber umso prägnanteren Themen titeln. Gebracht hat es trotzdem nichts. Schmid ist mit seiner Bierpreisbremse untergegangen.

Dabei hat der gebürtige Münchner die Sozialdemokraten vor allem im Wahlkampf 2014 mit großem Erfolg vor sich hergetrieben. Das anfangs belächelte Thema Schultoiletten wuchs zu einem allgemeinen Diskurs über den baulichen Zustand der Münchner Schulen und machte schließlich als milliardenteure Schulbauoffensive Karriere. Zusätzlich zeigte Schmid in Kooperation mit Reiter der rot-grünen Vorgängerkoalition, wie man jahrelang diskutierte Dauerthemen einfach abräumt.

Die Bekanntheit und Beliebtheit Schmids hat sich stetig verbessert, seit er 2008 bei seiner ersten Kandidatur mit einem für ihn untypischen Ausflug ins rechte Themenspektrum baden ging. Inzwischen steht der Jurist glaubhaft für die Großstadt-CSU, er besucht den Christopher-Street-Day genauso wie die Treffen seines Trachtenvereins. Auf Landesebene wird er wohl erst einmal kürzer treten müssen. Es sei denn, er hat Kabinettsträume.

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