Stadtpolitik:Duell um den SPD-Fraktionsvorsitz

  • SPD-Sozialsprecher Christian Müller tritt zur Wahl zum Fraktionschef seiner Partei an.
  • SPD-Fraktionschef Alexander Reissl muss somit zum zweiten Mal in nur zwei Jahren einen Angriff auf sein Amt abwehren.

Von Heiner Effern

SPD-Fraktionschef Alexander Reissl muss zum zweiten Mal in nur zwei Jahren einen Angriff auf sein Amt abwehren. Am Montag wird der Sozialsprecher seiner Partei im Rathaus, Christian Müller, gegen ihn bei der alle zwei Jahre üblichen Wahl des Fraktionsvorstands antreten.

Reissl bestätigte, dass ihn sein Stadtratskollege am Freitag per SMS darüber informiert habe. Mehr wollte er dazu nicht sagen, auch sein Kontrahent Müller äußerte sich nicht. Im Frühjahr 2016 kandidierte der Finanzsprecher und damalige Stellvertreter, Hans Dieter Kaplan, gegen Reissl und unterlag überraschend knapp mit neun zu 14 Stimmen.

In der Fraktion soll es seit Tagen rumoren, am Freitag wurde nun das Duell Reissl gegen Müller publik. Wie es ausgehen könnte, darüber gibt es selbst in der Fraktion sehr gegenläufige Meinungen. Offen reden will aber vor dem Wochenende, an dem die Drähte vermutlich glühen werden, niemand darüber. Für Müller spricht, dass schon seit Jahren immer wieder Reissls Führungsstil kritisiert wird. Zu sehr auf sich gestellt, nicht gerade einfühlsam, meinungsstark bis stur, heißt es.

Zudem steht Reissl vielen aus dem linken Flügel seiner Fraktion zu nahe an der CSU. Diese würden gerne soziale und ökologische Themen mehr in den Vordergrund stellen und damit auch wieder näher an die Grünen heranrücken. Müller könnte dieser politischen Neuausrichtung ein Gesicht geben. So mancher Stadtrat sehnt sich nach frischem Wind - Reissl steht seit zehn Jahren an der Spitze der SPD-Fraktion.

Er muss deshalb nach 2016 erneut ein Wochenende lang erklären, warum er nach dieser Zeit immer noch der beste ist, um die SPD in die Kommunalwahl 2020 zu führen. Seine Fachkenntnisse und sein tiefes Wissen über die Arbeit im Stadtrat werden seine Unterstützer anführen.

Es gehöre schon mehr zu einem Fraktionschef als ein guter Auftritt in der Sozialpolitik, sagt jemand aus der Fraktion. Strategisches Geschick zum Beispiel, die Fähigkeit, alle wichtigen Themen zu besetzen. Solche Äußerungen sollen nahelegen: Der Sozial-Müller kann das nicht. Der sei ein eher impulsive Typ, der sich über alles aufregen könne. Aber die Regierungsarbeit organisieren?

Reiter schätzt Reissls pragmatische Herangehensweise

Ob Müller der Mann der Zukunft für die Fraktion ist, da sind sich auch Reissl-Kritiker nicht sicher. Zweimal in den vergangenen Jahren hat die SPD den Sozialpolitiker ordentlich hängen lassen, als es um wichtige Stellenbesetzungen in dessen Fachgebiet ging.

Zuerst ließen ihn Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Fraktionschef Reissl im Jahr 2016 abblitzen, als er Brigitte Meier als Sozialreferent folgen wollte. Bei dem im Jahr 2017 durchgeführten Bewerbungsverfahren für den Chef des Jugendamts schaffte es Müller nicht einmal zum Vorstellungsgespräch in den Stadtrat. Wenn ihn sich die SPD dringend gewünscht hätte, wäre das nicht passiert.

Die Lage noch diffuser macht, dass zwei wichtige Autoritäten der SPD die Arbeit der Stadtratsfraktion sehr kritisch sehen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) äußert sich nicht zum aktuellen Machtkampf, lässt aber immer wieder mal durchblicken, dass ihm seine eigenen Stadträte viel zu zögerlich und zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Das wirft er aber nicht Fraktionschef Reissl vor, dessen pragmatische Herangehensweise an die Politik er an sich schätzt.

Wo er sich im Kampf um die Fraktionsspitze positioniert, lässt Reiter zumindest nach außen hin nicht erkennen. Auch die SPD-Parteispitze in München äußert sich nicht offen, aber sehr deutlich über die aus ihrer Sicht zu passive Fraktion, in der manche sogar einen expliziten Schwachpunkt der SPD vor der Kommunalwahl 2020 ausgemacht haben. Außerdem legt man Reissls manchmal volkstümliche Auftritte im Parteivorstand immer wieder als provinziell aus.

Ein wenig überraschend kommt das Duell um den Fraktionsvorsitz trotzdem. Reissls knapper Sieg im Jahr 2016 hatten viele als Weckruf empfunden, im Umgang mit der Fraktion etwas zu ändern. Seither werde mehr und offener diskutiert, heißt es von SPD-Stadträten. Auch das Gesprächsklima habe sich verbessert. Mit Verena Dietl und Christian Vorländer wurden 2016 auch zwei jüngere Stadträte als Stellvertreter gewählt, um einen Generationswechsel einzuläuten.

Diese beiden will Müller nun überholen, was zu einer ungewöhnlichen Konstellation führen könnte: Zwei Stadträte aus der zweiten Reihe könnten die Regierungsfraktionen im Rathaus in die Kommunalwahl 2020 führen. Denn auch die CSU weiß nach dem wahrscheinlichen Wechsel von Bürgermeister Josef Schmid in den Landtag noch nicht, ob aufgrund der deshalb nötigen Postenneuverteilung Manuel Pretzl im Herbst noch Fraktionschef sein wird.

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