Stadtflucht:"Die Stadt ist einfach zu laut und zu stressig geworden"

Vier Personen erzählen, warum sie nicht mehr in einer Metropole wohnen wollten und aufs Land gezogen sind.

1 / 4

Marktredwitz

Romy Kunz in Marktredwitz

Quelle: privat

Romy Kunz, 31, aus München "Mit 16 Jahren bin ich aus meiner Heimat in Sachsen nach München gekommen. Doch die Stadt ist einfach zu laut und zu stressig geworden. Deshalb bin ich heuer mit meinem Mann Sebastian in seine Heimat Marktredwitz gezogen. Wir wollten uns eigentlich in München mit einem Lokal selbständig machen. Aber schnell haben wir gemerkt, dass wir uns das dort nicht leisten können. In Marktredwitz dagegen schon. Nun sind wir hier, und die Baros-Burgerkunzt läuft gut an. Mir gefällt's. Die Leute sind nett, es gibt im Ort alles, was wir brauchen. Dass Sebastians Eltern hier sind, gibt uns zusätzliche Sicherheit. Und zu meinen Eltern nach Freiberg ist's auch nicht mehr so weit. Was auch toll ist: Man ist schnell mal raus aus der Stadt, obwohl Marktredwitz jetzt kein winziges, verschlafenes Nest ist. Unsere künftigen Kinder können quasi an Bächen, Weihern und Wäldern aufwachsen. Das Leben ist einfach unbeschwerter und gesünder. In München musste man eine Stunde aus der Stadt rausfahren, nur um dann mit unzähligen anderen Menschen die Natur am Stadtrand zu genießen. Ein fragwürdiges Vergnügen." Protokolle: mmm/Fotos: privat

2 / 4

Sulzbrunn

Martin Nagler, Sulzbrunn

Quelle: privat

Martin Nagler, 41, aus München "Ich lebe in der Gemeinschaft Sulzbrunn im Oberallgäu, zusammen mit meiner Frau und meiner Mutter, Anna Nagler. Die Idee dazu entstand in Trinidad und Tobago, wo meine Frau und ich für NGOs gearbeitet und auch geheiratet haben. Für die Hochzeit sind damals unsere Familien angereist, und alle haben für zwei Wochen wie in einer Gemeinschaft gelebt. Das war zwar eine Urlaubssituation. Aber wir fanden die Idee spannend, mit jungen und alten Menschen, Familien wie Singles, zusammenzuleben. Deshalb haben wir uns daheim nach einer passenden Gemeinschaft umgesehen und sind hier bei Kempten fündig geworden. Jeder von uns musste sich mit einem Genossenschaftsanteil einkaufen. Unterm Strich war das viel weniger, als ein Einfamilienhaus kostet. Hier sind wir raus aus der Anonymität der Großstadt und können ökologischer leben. Eigene Tomaten anbauen. Und zwar so viele, dass es für 40 oder 50 Leute reicht. Ich leite die Großküche hier. Im Januar kriegt meine Frau unser erstes Kind. Es wird das erste sein, das von Geburt an in dieser Gemeinschaft aufwächst. Und hoffentlich nicht das letzte. Wir haben noch Plätze frei hier."

3 / 4

Tirschenreuth

Fritz Bock in Tirschenreuth

Quelle: privat

Fritz Bock, 54, aus Düsseldorf "Die Oberpfälzer haben meine Familie und mich vor 13 Jahren echt schnell in ihren Ort aufgenommen. Seien es meine Arbeitskollegen oder Eltern in der Krabbelgruppe - alle waren von Anfang an freundlich. Wegziehen würde ich hier nicht mehr, die Lebensqualität stimmt einfach. Unser engagierter Bürgermeister und die Stadträte treiben eine tolle Entwicklung voran. Tirschenreuth ist zu einer regelrechten Perle der Oberpfalz herangewachsen, wie ich finde, mit einem schönen, sanierten Marktplatz. Sogar der alte Stadtteich wurde mitsamt großzügiger Parkanlage neu angelegt. Meine Frau und ich sind damals hergezogen, weil ich eine Stelle als Produktmanager bei der Firma Hamm bekommen habe und unser erstes Kind unterwegs war. In Tirschenreuth sind die Wege kurz, so kann ich abends schnell daheim bei meiner Familie sein. Wir können auch ganz leicht mal abends zu Fuß ins Restaurant gehen. Wunderbare Radwege gibt es im Umland, etwa auf der alten Bahnstrecke durchs Teichgebiet. Ich habe schon während meiner Jugend die Liebe zur Natur entdeckt. Beruflich muss ich viel reisen, aber ich freue mich jedes Mal wieder, heim zu kommen."

4 / 4

Schlehdorf

Anna Schölß in Schlehdorf

Quelle: privat

Anna Schölß, 33, aus München "Als Künstlerin darf ich den Anschluss an die Szene in München nicht verlieren. Deshalb habe ich mein Münchner Atelier behalten. Aber den Trubel und den Straßenlärm hatte ich echt satt. Im ruhigen Schlehdorf kann ich wunderbar die Energie tanken, die ich brauche, um kreativ zu sein. Von daheim aus lasse ich den Blick über den Kochelsee schweifen, hinter dem sich die Berge auftürmen. Herrlich. So viel Raum, sich zu entfalten. Kultur findet man auch in der Voralpenprovinz. Es gibt Konzerte oder Ausstellungen. Ich hatte mal eine, bei der war es aber mit der Ruhe nicht mehr weit her. Die Vernissage war am Eingang zum Kesselbergpass. Die Motorräder sind nur so vorbeigebrettert. Aber das ist halt so in einer Gegend, die von Touristen frequentiert wird. Ich versteh's ja, es ist traumhaft, deshalb bin ich ja auch hergekommen. Warum sollte ich die Idylle anderen Menschen vorenthalten? Dass mein Lebensgefährte, unsere gemeinsame Tochter und ich unser Obst und Gemüse direkt vom Bauern holen können, ist echt was wert. Da ist die Lebensqualität gleich viel höher. Und wenn wir mal auf einen Berg gehen wollen, dann machen wir das halt unter der Woche, und nicht am Wochenende, wenn alle gehen."

© sz.de
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: