Stadtbücherei:Alles da

Die Nachfrage wächst - und die Stadtbibliothek versucht damit Schritt zu halten. Mit neuen Filialen, veränderten Öffnungszeiten und vor allem mit einem großen Angebot digitaler Medien

Von Silke Lode

Eigentlich war die Frage schon etwas ketzerisch gemeint. Ob die Stadtbibliothek denn überhaupt noch eine Bücherei sei - oder nicht eigentlich schon eine Mediathek? Doch Tanja Erdmenger stellt nur ganz nüchtern fest: "Das sind wir schon längst." Die Fachreferentin für digitale Medien beschäftigt eine ganz andere Sache: "Unsere Onleihe gibt es schon seit zehn Jahren - aber es dauert verdammt lang, bis sich das Bild von der Stadtbibliothek ändert. Vielleicht müssen wir doch mehr Werbung machen." Die Onleihe - soviel nur für diejenigen, die die Stadtbibliothek bis heute vor allem als Haus der Bücher sehen - ist ein System, mit dem die Nutzer auf ihrem persönlichen E-Book-Reader die elektronischen Fassungen von Büchern, Hörbüchern, Videos oder Zeitschriften ausleihen können. "Über die Nutzungszahlen können wir uns nicht beschweren, aber viele haben einfach noch ein tradiertes Bild im Kopf", sagt Erdmenger.

Es gibt wohl kaum eine Entwicklung, die die Gesellschaft im neuen Jahrtausend so stark verändert hat wie die Digitalisierung - und ähnlich geht es der Münchner Stadtbibliothek, die bei diesem Prozess durchaus Schritt hält. 50 000 deutschsprachige Medien hat sie inzwischen in elektronischer Form im Angebot, "die Spiegel-Bestellerliste können wir voll bedienen", erzählt Erdmenger stolz. Seit Oktober gibt es ein eigenes Portal für englischsprachige Titel mit derzeit 3000 Angeboten, hinzu kommt eine Pressedatenbank mit 6000 internationalen Zeitungen und Zeitschriften, die jeder Bibliotheksnutzer tagesaktuell lesen kann, sei es in den Räumen der Bücherei, in der S-Bahn oder auf dem heimischen Sofa. Egal, ob Bunte oder Bravo, die Lokalzeitung aus Island oder die Washington Post. "Bei unserem internationalen Publikum ist das der Renner", sagt Erdmann.

Stadtteilbibliothek Westend in München, 2014

Die Münchner Stadtbibliothek ist auf Wachstumskurs.

(Foto: Florian Peljak)

Das nächste Digitalprojekt ist bereits gestartet: Seit knapp einer Woche gibt es eine E-Learning-Plattform mit Online-Tutorials. Viele Sprachangebote sind dabei, aber auch Yogakurse oder medizinische Angebote. Weil die Menschen trotzdem oft nur an Bücher denken, wenn sie "Stadtbibliothek" hören, gibt es im Mai die digitale Woche "Enter!" mit mehr als 60 Veranstaltungen. Zum Angebot gehören Vorträge, wie man bloggt oder bei Wikipedia mitmacht, es gibt Workshops, wie man einen E-Book-Reader bedient, Eltern können lernen, welche guten Apps es für Kinder gibt, und Kinder, was sie im Internet bei Themen wie Urheberrecht oder Datenschutz beachten müssen.

"Unsere Medienpädagogen bieten auch das ganze Jahr über Veranstaltungen für Multiplikatoren an", berichtet Programmchefin Anke Büttner. Denn nicht nur Eltern haben viele Fragen, auch bei Lehrern und Erziehern gibt es zum Teil einen großen Nachholbedarf, wenn es um den Umgang mit Medien geht.

All das passt gut zu dem Ziel, das sich die Stadtbibliothek gesetzt hat: "Wir halten Schritt mit den enormen Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelt." Da gibt es spezifisch Münchnerische Herausforderungen, das Platzproblem zum Beispiel und die schnell wachsende Stadt. "Immer mehr Menschen suchen einen Ort, wo sie sich aufhalten können, ohne Werbung, unkommerziell, ohne Zwang", sagt Büttner. Ein solcher Ort wollen die Bibliotheken sein, die es in mehr als 20 Stadtvierteln gibt. Der Zulauf ist enorm, das Jahr 2016 hat mit einem Besucherzuwachs um mehr als fünf Prozent wieder alle Rekorde gebrochen. Gut fünf Millionen Besuche in den verschiedenen Einrichtungen hat die Stadtbibliothek gezählt.

Und die Bibliotheken wachsen mit: In Giesing gibt es seit April 2016 eine neue Bücherei, die bis zum Jahresende schon fast 250 000 Besucher anlockte, und der nächste Neubau ist in Riem geplant. Auch die im Dezember wieder eröffnete Monacensia stoße auf großes Interesse. Für das laufende Jahr 2017 rechnen die Verantwortlichen jetzt schon mit einem weiteren Plus bei den Besucherzahlen, was nicht nur am Bevölkerungswachstum in der Stadt liegt, sondern auch an einem besseren Service. Vom 6. Mai an werden neben der Stadtbibliothek im Gasteig sechs weitere Filialen in Pasing, Neuhausen, Hasenbergl, Neuperlach, Giesing und Sendling auch am Samstag von 10 bis 15 Uhr öffnen, am Montag bleiben sie dafür geschlossen.

Und noch eine andere Veränderung spüren die Bibliotheken, erzählt Büttner: "Die neuen Arbeitsverhältnisse." Immer mehr Leute kommen zum Arbeiten in die Bibliothek. "Wissenschaftler, Journalisten, Leute die Nachhilfe geben. Die wollen nicht zu Hause versauern und brauchen ein starkes Wlan". Und sie wollen ein Umfeld, in dem Wissen verfügbar ist. Manchmal auch in Buchform.

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